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Verkehrte Parallelmedienwelt

Parallelmediewelt: "In verschwörungsideologische Diskurse verabschiedet."

Sie nennen sich „alternative“ oder „freie“ Medien – und sind weder das eine noch das andere. Die Bandbreite reicht von NachDenkSeiten bis zum Compact-Magazin. Oft verschwimmen dort rechte und linke Ideologien, Coronaverharmlosung und pro-russische Propaganda. journalist-Autor Matthias Meisner hat sich intensiv mit diesem Spektrum beschäftigt – mit der Folge, dass er selbst immer wieder Angriffen und Anfeindungen ausgesetzt ist.

29.01.2023

Das Imperium schlägt zurück. Tichys Einblick sieht in mir einen „Desorientierungsspezialisten“. Der Blogger Boris Reitschuster nennt mich „Karl-Lauterbach-Fan“ – und meint das nicht nett. Das Portal Telepolis setzt meine Berufsbezeichnung „Journalist“ in Gänsefüßchen. Vom Magazin Cicero bekomme ich den Titel „publizierender Aktivist“. Die NachDenkSeiten schreiben, ich sei bekannt für meine „intriganten Artikel gegen Sahra Wagenknecht“.

Es sind dies Auszüge aus einer reichen Sammlung an Anwürfen, mit denen ich konfrontiert bin, seitdem ich mich intensiv mit „alternativen Medien“ beschäftige. Ich versehe diesen Begriff tatsächlich mit Gänsefüßchen. Parallelmedien nennen sich „alternativ“ oder „frei“. Aber sie sind in der Medienlandschaft in aller Regel so wenig eine Alternative wie die AfD in der Parteienlandschaft. Mag das ein oder andere Portal gestartet sein, um eine kritische Gegenöffentlichkeit zu schaffen, so haben sich die meisten spätestens mit Beginn der Coronapandemie in verschwörungsideologische Diskurse verabschiedet.

Der Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 hat diese bedenkliche und teils demokratiefeindliche Entwicklung noch verschärft. In der Mehrzahl – es gibt Ausnahmen – sind die „alternativen“ Portale, ob rechts oder links oder Querfront, sehr nah an Deutungen des Kremls. In sogenannten Alternativmedien – hier konkret den NachDenkSeiten – ist zu lesen: „Russland handelt auch aus Notwehr.“

Coronaverharmlosung und pro-russische Propaganda gehen zuweilen nahtlos ineinander über. Dann zum Beispiel, wenn an einem Adventswochenende auf dem Supermarkt-Parkplatz einer Gemeinde in Brandenburg aus einem grünen Kastenwagen ein Podcast des in der EU nach Beginn des Kriegs verbotenen Senders RT DE übertragen wird. Ein Aktivist der Querdenker-nahen Partei Die Basis mit langem Bart und Uschanka-Mütze spricht die Leute an, in seinem Kraftfahrzeug hängt eine DDR-Flagge neben der von Russland. Es ist Agitation zu einer Jahreszeit, die nach dem Willen der „alternativen Medien“ als „Wut-Winter“ in die Geschichte eingehen soll.

„Mag das ein oder andere Portal noch gestartet sein, um eine kritische Gegenöffentlichkeit zu schaffen, so haben sich die meisten spätestens mit Beginn der Coronapandemie in verschwörungsideologische Diskurse verabschiedet.“

Dass die Parallelmedien ihr eigenes Bild von Gut und Böse zeichnen, habe ich erstmals vor vielen Jahren selbst erlebt. Als Tagesspiegel-Redakteur gehörte die Berichterstattung über die Partei Die Linke zu meinen Themengebieten. Inbegriffen war die regelmäßige Lektüre der NachDenkSeiten, von dem früheren SPD-Politiker Albrecht Müller gegründet als kritische Antwort auf die Agenda-Politik von Gerhard Schröder. Die Leute vom Blog wiederum lasen, was ich schrieb, und 2013 bescheinigte mir Müller: „Dieser Autor Matthias Meisner gehört zu einer Gruppe von Berliner Journalistinnen/en, bei denen man getrost annehmen kann, dass sie sich zum Ziel gesetzt haben, eine linke Alternative zu Angela Merkel zu verhindern.“ 2017 schrieb er, es gebe in der Hauptstadt „kampagnenmäßig arbeitende“ und „einflussreiche“ Medien, die mit „offenbar abgesprochenen und schrägen Argumenten“ speziell gegen die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht arbeiten würden. Ich wurde namentlich erwähnt.

Von „Lügenpresse“ zum „Infokrieg“

Die Sache mit den „Alternativmedien“ begann mich zu interessieren. 2017 verpflichteten Heike Kleffner und ich für den von uns herausgegebenen Sammelband Unter Sachsen Andreas Raabe und Paul Simon vom Leipziger Stadtmagazin Kreuzer zu einem Text über Jürgen Elsässer und sein Compact-Magazin. Bei den Pegida-Aufmärschen in Dresden wurde zu jener Zeit „Lügenpresse“ skandiert, der aus Baden stammende Elsässer zog von Leipzig aus in den „Infokrieg“, als rechter Agitator gegen „Umvolkung“, „Volkszerstörung“, „Globalismus“ und „Mainstreammedien“, wie Raabe und Simon notierten. Die AfD sei für ihn „der Stock, mit dem wir die Blockparteien prügeln müssen, bis sie grün und blau sind“, wurde Elsässer zitiert. Die Autoren berichteten, dass immer wieder der Verdacht laut werde, Compact werde vom Kreml finanziert.

„Coronaverharmlosung und pro-russische Propaganda gehen zuweilen nahtlos ineinander über.“

Heute streiten das rechte Compact-Magazin und die links gestarteten NachDenkSeiten mit fast identischen Argumenten für eine neue Querfront-Partei, die dann mutmaßlich sehr national und sozial, russlandfreundlich und latent autoritär wäre, idealerweise mit Wagenknecht als Leitfigur. Elsässer hob die Linken-Politikerin auf die Titelseite des Dezember-Hefts, Überschrift: „Die beste Kanzlerin – eine Kandidatin für Links und Rechts“. NachDenkSeiten-Chefredakteur Jens Berger schrieb in einem Aufsatz: „Es wäre wohl wirklich besser, sie gründete ihre eigene Partei.“

Elsässer stand politisch mal weit links, er ist inzwischen am äußersten rechten Rand angekommen. Die NachDenkSeiten wiederum haben zuletzt nicht nur der AfD als einziger Bundestagspartei eine „progressive friedenspolitische Antwort“ auf den Ukraine-Konflikt bescheinigt und eine Rede von Alexander Gauland zum Thema als „Punktlandung“ gelobt. Sie würdigten auch in einer Artikelserie wohlwollend die Organisator:innen der Proteste zum „heißen Herbst“ im vogtländischen Plauen, die vernetzt sind mit der Reichsbürger-Szene. Sie interviewten eine Anführerin, die auf Facebook ein Video der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck geteilt hatte. Den Vorwurf, die NachDenkSeiten hätten sich zu Propagandisten für die AfD und andere Rechtsradikale gemausert, weist deren Chefredakteur Jens Berger in der Zeitung Junge Welt als „Rufmord gegen ein linkes alternatives Medium“ zurück.

Der Sozialwissenschaftler Horst Kahrs, der lange für die Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitete, erinnert daran, dass „freie“ und „alternative“ Medien in den 70er und 80er Jahren zu wichtigen Mitteln der Selbstverständigung und -behauptung der westdeutschen Alternativbewegung gehört und von bestehenden Medien liegen gelassene Informationen verbreitet hätten. Die taz sei eine wichtige Erfindung dieser Zeit. Heute beobachtet Kahrs verstärkt einen „Boom rechter Inhalte“. Er sagt dem journalist: „Antidemokratische, anti-egalitäre und anti-institutionelle Einstellungen gab es schon immer an den Stammtischen, sie haben nun andere Wege der Verbreitung und Sichtbarkeit.“ Kritik an staatlichen Maßnahmen sei grundsätzlich notwendig, problematisch werde es, wenn sich diese mit „grundsätzlich feindlichen Einstellungen gegenüber dem demokratischen Staat“ gemein mache. „Rechte Narrative konnten und können nur deshalb eine Gefahr werden, weil sie vorhandene Kritik und Missstände aufgreifen, nicht um sie abzustellen, sondern um Wut, Zorn und Abwendung zu schüren.“

Ähnliche Eindrücke hat das Team des Katapult-Magazins aus Greifswald, das in der Ende Dezember erschienenen Ausgabe seiner Sonderausgabe Knicker die Netzwerke alternativer Medien zum Thema machte – von „verschwörungsideologisch“ wie bei Ken Jebsens neuem Format Apolut, Rubikon und Westend-Verlag über rechtskonservative Blogs und Video-Formate wie reitschuster.de, Tichys Einblick und Achtung, Reichelt! bis zu rechtsradikalen Medien wie Compact oder Auf1. Im Editorial verweist die Redaktion darauf, dass Studierende im Zuge der 68er-Bewegung in der Bundesrepublik frischen Wind in die bürgerlich-konservative Medienlandschaft gebracht hätten, mit Themen wie Kapitalismuskritik, Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und Emanzipation von Frauen. Inzwischen aber sei bei den sogenannten Alternativmedien „das Drama alltäglich“, dem Großteil der Artikel „die Lust am rhetorischen Überhitzen anzumerken“. Und: „Wo etablierte Medien Probleme sehen, erblicken die alternativen Katastrophen.“ Die Katapult-Redaktion sieht in ihrer Analyse zu Parallelmedien eine Linie von der Flüchtlingskrise 2015, bei der die deutsche Bevölkerung vermeintlich „ausgetauscht“ werden sollte, über 2020, als die Deutschen angeblich „ihrer Freiheit beraubt“ und 2022, als sie „durch Hunger und Kälte ausgezehrt“ worden seien. Die Redaktion schreibt: „Belege für die Thesen von der aufziehenden Diktatur, dem untergehenden Rechtsstaat oder eines Komplotts aus Spitzenpolitik und Presse gibt es keine.“

Es ist kein Anschlag auf die Pressefreiheit, so etwas zu sagen. Niemand will „alternative Medien“ verbieten oder zensieren. Dass der russische Propagandasender RT DE offiziell nicht zu empfangen ist – inoffiziell gibt es, siehe oben, nach wie vor Möglichkeiten – ist eine temporäre Maßnahme. Eine andere Frage ist, ob es richtig ist, dass Parallelmedien steuerlich begünstigt werden, indem Finanzämter sie oder ihre Fördervereine als gemeinnützig einstufen. Die einflussreiche rechte Internetplattform JouWatch warb jahrelang: „Sie sparen mit jeder Spende Steuern und können so dem ,Merkel-Regime‘ noch zusätzlich eins auswischen.“ Bevor ihr dann doch nach längerer Auseinandersetzung mit Behörden das Privileg entzogen wurde. Spenden an Rubikon, ein Portal mit linkem Anspruch, sind nach wie vor steuerlich abzugsfähig. Aber ist das gerechtfertigt, wenn dort beispielsweise die Medizin-Versuche der Nazis im Dritten Reich mit der Coronaimpfung von Kindern verglichen werden? Der Förderverein der NachDenkSeiten wiederum bekam zum Jahresende 2022 die Gemeinnützigkeit vom Finanzamt Landau/Pfalz aberkannt – dieses sah den Anspruch der „Volksbildung“ nicht mehr umgesetzt. Der Anstoß für diesen Schritt sei „von oben“ gekommen, mutmaßte das Portal.

„Niemand will „alternative Medien“ verbieten oder zensieren. Eine andere Frage ist, ob es richtig ist, dass Parallelmedien steuerlich begünstigt werden, indem Finanzämter sie oder ihre Fördervereine als gemeinnützig einstufen.“

Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Michael Blume, hat vor ein paar Monaten gesagt: „Inzwischen wissen wir, dass Verschwörungsgläubige auch Qualitätsmedien nur noch nach Nachrichten absuchen, die in ihre Verschwörungsmythen passen – alles andere wird als Zumutung empfunden.“ Es war ein Aufruf an die etablierten Medien, auf „billige Meinungsmache“ zu verzichten. Nicht zu versuchen, extremeren Stimmen ein Forum zu bieten, etwa mit „False Balance“, falscher Ausgewogenheit, um die Klickzahlen hochzutreiben. Blume benutzt den Begriff der „realistischen Medien“ im Gegensatz zu „populistischen Medien“. Er warnt: „Die Rolle von Medien in der Aufrechterhaltung oder auch Zerstörung von Demokratien wird noch immer unterschätzt. Wenn ein Mediensystem kaputt ist, stürzt die Demokratie ab.“

Das ist ziemlich gut zu beobachten in einem autoritär verfallenden Land wie Ungarn. Dort sind die Medien unter Viktor Orbán weitgehend gleichgeschaltet worden und verbreiten ungefiltert Staatspropaganda. Schon vor Jahren wurden fast alle regionalen und überregionalen Tageszeitungen von Fidesz-nahen Oligarchen aufgekauft. „Alternative Medien“ braucht es dort gar nicht mehr. In der Rangliste der Pressefreiheit liegt Ungarn inzwischen auf Platz 85 von 180 – unter den EU-Mitgliedsstaaten kommt nur Bulgarien auf einen schlechteren Wert.

Im November nahm Ben Kutz für Übermedien ein Interview der deutschsprachigen Budapester Zeitung mit Premier Orbán auseinander, nannte es „Kuscheljournalismus aus Ungarn“. Chefredakteur Jan Mainka forderte Orbán in dem Gespräch auf, „aus der ewigen Defensive herauszukommen“ und sich „um die Demokratie und Pressefreiheit in Deutschland Sorgen zu machen“. Orbán antwortet, doppelte Standards werde Ungarn nicht tolerieren. Chefredakteur Mainka zeichnete im Gespräch mit Übermedien das schräge Bild von Ungarn als Hort der Pressefreiheit und von Deutschland als Land, in dem die Journalisten eine Agenda verfolgen und die Leitmedien „wie gleichgeschaltet“ schreiben.

Die „Alternativmedien“ im deutschsprachigen Raum waren vom Orbán-Interview in der Budapester Zeitung begeistert. Vier von ihnen, unter anderem Compact und die rechtskonservative Junge Freiheit, druckten das Interview in voller Länge nach. „Und Artikel gibt es da ohne Ende“, bedankt sich Mainka bei der Alternativmedienszene.

Als ich im Herbst 2021 vom Zentrum Liberale Moderne – einem von dem Grünen-Politikerpaar Marieluise Beck und Ralf Fücks gegründeten Thinktank – angesprochen wurde, ob ich mitwirken möchte an einem Projekt zur Analyse „alternativer Medien“, habe ich nicht lange gezögert. Die Geschichte der „freien Medien“ scheint mir nicht auserzählt zu sein. Sind sie eine Bereicherung der Medienlandschaft – oder eine Gefahr für die Demokratie?

Als freier Mitarbeiter gehörte ich bis November 2022 ein Jahr lang zum Team und beschäftigte mich mit der Frage, ob „Gegenmedien“ – so der Projekt-Titel – zu einer „Radikalisierungsmaschine“ geworden sind. Belege für eine solche Radikalisierung fanden wir jede Menge: von Corona über die Positionierung in der Genderpolitik, die Klimapolitik und gegen „die da oben“ sowie zuletzt vor allem zum Krieg gegen die Ukraine. Das Projekt wird vom Bundesfamilienministerium aus dem Programm „Demokratie leben!“ und von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert. Das sollte zu einem Knackpunkt werden.

Die Gegenwehr wurde vehement, als ich im Frühjahr im Blog Volksverpetzer die Frage aufwarf, ob der Kreml-Propagandist Florian Warweg, lange Jahre in führender Rolle bei RT DE, für die NachDenkSeiten in die Bundespressekonferenz aufgenommen werden sollte, den Verein der Hauptstadtkorrespondent:innen. Und als etwa zur gleichen Zeit der Trierer Politikprofessor Markus Linden für das „Gegenmedien“-Projekt die erste Fallstudie zu den NachDenkSeiten erstellte – mit der Einschätzung, dass das Portal als „Scharnier für verschwörungstheoretisches Denken“ fungiere.

Die Erzählung der Kritiker:innen des Projekts lautet seither: Mit Staatsgeld werden Regierungskritiker:innen mundtot gemacht. Sie wird wörtlich oder sinngemäß verbreitet auf Infrarot, dem Kanal des früheren Chefredakteurs von RT DE, Ivan Rodionov. Von Reitschuster. Aber auch von Friedrich Küppersbusch, der in dem Projekt eine Arbeit sieht, die auch „jeder schlechte Geheimdienst tun könnte und tut“. RT DE meldet, ich habe ein „faktisches Berufsverbot“ für Florian Warweg gefordert. In der Welt beschreibt mich Frank Lübberding als Schlüsselfigur eines „Netzwerks zur Markierung politischer Feinde“. Der Text des Springer-Blatts enthält wesentliche Elemente einer Verschwörungstheorie. AfD und Linksfraktion stellen Anfragen zu dem „Gegenmedien“-Projekt an die Bundesregierung – und kritisieren, dass die Regierung Maßnahmen gegen russische Desinformation ergreift und dabei auch die Rolle von „Alternativmedien“ in den Blick nimmt.

Beschimpfungen und Morddrohungen

Ist es legitim, dass mit öffentlichen Mitteln Analysen zu „alternativen Medien“ gefördert werden? Grundsätzlich sei dies „nicht unproblematisch“, sagt René Martens von der auf der Seite des MDR erscheinenden Medienkolumne Das Altpapier. Denn es könnte eine „Grundgewogenheit gegenüber den Geldgebenden“ erzeugen, zitiert er eine vom Medienwissenschaftler Volker Lilienthal in ähnlichem Kontext gebrauchte Formulierung. Andererseits sagt Martens zum journalist: „Jene, die mit dem Verweis auf staatliche Gelder die Arbeit von Leuten, die über Verschwörungsideologien informieren, zu diskreditieren versuchen und ihnen vielleicht sogar implizit eine Obrigkeitshörigkeit unterstellen, sind ja in der Regel Personen, die autoritärere Verhältnisse herbeizuschreiben versuchen. Insofern hat diese Art von Kritik etwas von einem Treppenwitz.“ Grundsätzlich seien reflexhafte Reaktionen nach dem Motto „Kritik taugt nichts, weil vom Staat bezahlt“ auch „ein Symptom dafür, wie unterentwickelt die Diskussion über die öffentliche Förderung publizistischer Angebote in Deutschland immer noch ist“.

Reaktionen auf das „Gegenmedien“-Projekt gibt es derweil auch solche: Morddrohungen gegen den Trierer Professor Linden, den Autor der Fallstudie. In einem – inzwischen gelöschten – Leserkommentar auf Telepolis hieß es: „Ein professoraler, sich der Macht und dem Kapital-Mammon anschmierender Mietling. (…) In Paris gab es für solche Mietlinge einmal Laternen.“ Auf Twitter schrieb ein User: „Die Lügenpropagandisten werden nach und nach von der Wahrheit zerfetzt.“ Ich selbst bekomme im November eine E-Mail mit dem Betreff „NachDenkSeiten“: „Wenn man erklären sollte was Ungeziefer ist würde dein Name ganz weit oben stehen. Du bist das Sinnbild für Dreck und Abschaum der samt Sippe sofort entsorgt werden sollte.“ Es sollte nicht die einzige Nachricht dieser Art bleiben.

Ausdrücklich: Die Masche der „alternativen Medien“, ihre Allianzen und Netzwerke dürfen und müssen in den Blick genommen werden. Auch als Ermunterung, bei der Berichterstattung über sie achtsam zu sein. Wie das nicht funktioniert: Beim Lokalsender TV Berlin durfte sich in einem 38 Minuten langen gefälligen Interview der Chefredakteur des rechten österreichischen Senders Auf1, Stefan Magnet, ausbreiten. Befragt wurde er von Silke Schröder, die eigentlich im Immobiliengeschäft tätig ist, im Nebenberuf aber auch Videos für den AfD-nahen Deutschland-Kurier produziert. Der Sender Auf1, der laut Beobachter Markus Sulzbacher aus Österreich „exzessiv Desinformation und Verschwörungsmythen“ verbreitet, expandiert aktuell nach Deutschland. Als Hauptstadtkorrespondent hat er Martin Müller-Mertens von Compact verpflichtet.

Im Interview spielen sich Magnet und Schröder die Bälle zu, mit Stimmungsmache gegen die „Mainstreammedien“ und „manipulative Berichte in öffentlich-rechtlichen Medien“. Die Macht der „Kartellmedien“ müsse gebrochen werden, fordert Magnet, und spricht von einer notwendigen „Medienrevolution“. Die „Zensur“ – so wird das temporäre Verbot von RT in der EU genannt – sei eine „Warnung an alle freien Berichterstatter“. Ein Video als Propagandastück. Und nur ein weiteres Beispiel dafür, wie sich Parallelmedien ihre eigene Welt schaffen. Eine verkehrte Welt.

Matthias Meisner ist freier Journalist, unter anderem für die taz.

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