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Mobil per Vereinbarung
Seit 2021 haben die Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht, wie mobile Arbeit umgesetzt wird – aber nicht, ob sie angeboten wird. Foto: Adobe Stock/Dariia
Für Homeoffice und mobile Arbeit gibt es immer noch keinen offiziellen Rechtsanspruch. Viele Medienhäuser haben inzwischen eigene Regelungen dazu gefunden, teils mithilfe des DJV. Der journalist hat sich umgehört. Text: Kathi Preppner
11.10.2023
Als Julia Dührkop bei der Böhme-Zeitung anfing, haben einige Kollegen aus der Redaktion extra verabredet, ins Verlagsgebäude zu kommen. Vier Wochen lang arbeiteten sie täglich gemeinsam vor Ort. Das ist bei der Böhme-Zeitung eigentlich nicht mehr üblich. Die zwölfköpfige Redaktion arbeitet in der Regel mobil und kommuniziert über Rocket-Chat, Telefon oder auch mal per E-Mail. Nur mittwochs, zur Wochenplanung, treffen sich alle im Soltauer Verlagsgebäude. „Diese Treffen nutzen wir vorher und nachher für intensive Gespräche, da staut sich natürlich einiges auf“, sagt Dührkop, die seit zwei Jahren als Reporterin für die Böhme-Zeitung arbeitet.
Bei der Böhme-Zeitung funktioniert das mobile Arbeiten ohne Betriebsvereinbarung. „Die ist auch gar nicht nötig, weil es ja keine Verpflichtung gibt, in der Redaktion zu sein“, sagt Julia Dührkop. Die digitalen Arbeitsabläufe sind darauf ausgerichtet, dass die Zeitung auch dezentral erstellt werden kann. Wenn Redaktionsmitglieder nicht zur mittwöchlichen Konferenz kommen können, nehmen sie per Video-Call teil. Alle haben mobile Endgeräte. „Der Verleger setzt das wirklich konsequent um“, so Dührkop. „Da ist völliges Vertrauen, dass jeder von egal wo seine Arbeit gut erledigt.“
Bei der Braunschweiger Zeitung gibt es hingegen seit Anfang Mai 2022 eine Betriebsvereinbarung über mobiles Arbeiten und Desksharing. „Die Geschäftsleitung in Braunschweig hatte wegen des Corona-Lockdowns auch ein Interesse daran, das zu regeln.“, sagt Arne Grohmann. Er ist nicht nur Redakteur bei der Tageszeitung, sondern auch Vorsitzender des DJV-Bezirksverbands Braunschweig, Vorsitzender der Fachgruppe Betriebsratsarbeit im Landesverband Niedersachsen und Betriebsrat bei der Tageszeitung. Bis zu zwei Tage mobiles Arbeiten sind bei der Braunschweiger Zeitung laut Betriebsvereinbarung möglich, nach Absprache auch mehr – was viele nutzen. Grohmann selbst arbeitet lieber im Großraumbüro im Pressehaus als zu Hause. Aus seiner dreiköpfigen Redaktion, der Lokalredaktion Peine, ist er der einzige, der regelmäßig da ist. Auch aus den anderen Redaktionen und den Mantelressorts kommen nur wenige täglich ins Büro. Grohmann: „Das ist eine Minderheit, das muss man ganz klar so sagen.“
„Viele große Häuser haben inzwischen Regelungen. Seit etwa einem Jahr sind die Nachfragen deutlich zurückgegangen.“ Christian Wienzeck, Referent für Tarif- und Sozialpolitik in der DJV-Bundesgeschäftsstelle
„Viele große Häuser haben inzwischen Regelungen zu mobilem Arbeiten“, sagt Christian Wienzeck, Referent für Tarif- und Sozialpolitik in der DJV-Bundesgeschäftsstelle in Bonn. In großen Häusern gibt es Gesamt- beziehungsweise Konzernbetriebsvereinbarungen. „In der Übergangsphase nach dem ersten Corona-Lockdown war das für viele ein größeres Thema“, berichtet Wienzeck. „Aber seit etwa einem Jahr sind die Nachfragen hierzu deutlich zurückgegangen.“ Eine offizielle gesetzliche Regelung gibt es nicht, die Vorstöße des Bundesarbeitsministeriums sind bekanntermaßen gescheitert. Dafür reden jetzt die Betriebsräte mit, wenn es um Homeoffice und mobile Arbeit geht: Gemäß dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz von 2021 haben sie ein Mitbestimmungsrecht, wie mobile Arbeit umgesetzt wird – ob sie überhaupt angeboten wird, entscheidet weiter der Arbeitgeber.
Harte Verhandlungen
Bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung haben Geschäftsleitung und Betriebsrat schon vor Corona eine Betriebsvereinbarung über mobiles Arbeiten verhandelt. Dazu hat der Betriebsrat vorab den DJV Niedersachsen ins Boot geholt, Justiziarin und Rechtsanwältin Ursula Meschede vom DJV-Landesverband hat den Prozess begleitet. Damals war es dem Betriebsrat wichtig, dass alle Mitarbeitenden dasselbe Recht auf mobile Arbeit haben – nicht nur die schreibenden, sondern auch die produzierenden Journalist*innen.
„Eine Betriebsvereinbarung ist gar nicht nötig, weil es keine Verpflichtung gibt, in der Redaktion zu sein.“ Julia Dührkop, Reporterin bei der Böhme-Zeitung
„Das waren harte Verhandlungen“, berichtet Meike Hakemeyer, Betriebsrätin bei Madsack. „Wir haben ja vor Corona verhandelt und hatten das Gefühl, dass da noch überhaupt keine Lockerheit im Knie war, was mobiles Arbeiten für die produzierenden Kollegen angeht.“ Bei HAZ und Neuer Presse, die inzwischen ein Gemeinschaftsbetrieb sind, gibt es nun eine Rahmenvereinbarung über mobile Arbeit. Es ist also kein Umfang festgelegt, wie viel von zu Hause aus gearbeitet werden darf, sondern nur, dass alle dasselbe Recht haben und den konkreten Fall mit den jeweiligen Vorgesetzten absprechen müssen. „Wir wollten bewusst keine zeitlichen Quoten festlegen“, erklärt Hakemeyer. „Die Rahmen-Betriebsvereinbarung ist aber wichtig, damit niemand um Homeoffice-Tage kämpfen muss. Und wenn einmal etwas schief läuft, können wir uns daran entlang hangeln.“
Tarifverträge beim ÖRR
Nicht nur diverse Zeitungsverlage haben Vereinbarungen zu mobiler Arbeit, auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es entsprechende Regelungen. Der BR hat beispielsweise eine Dienstvereinbarung, der SR einen Tarifvertrag über „mobile Arbeit und alternierende Telearbeit“, der NDR über „hybride Arbeit“. Beim SWR hat Justiziar Gregor Schwarz vom Landesverband Baden-Württemberg mitverhandelt. Dort gilt seit November 2021 der „Tarifvertrag zur flexiblen Gestaltung des Arbeitsorts“, gemäß dem die Mitarbeitenden bei ihrer Führungskraft Homeoffice beantragen können – was nur aus dringenden betrieblichen Gründen abgelehnt werden darf.
„Das ist eine gute Regelung für beide Seiten, die auch als Blaupause für andere ARD-Anstalten gelten könnte.“ Gregor Schwarz, Justiziar beim DJV Baden-Württemberg
„Man hat in den Verhandlungen gemerkt, dass der SWR ein bisschen Schmerzen hatte, das wirklich als Anspruch zu formulieren“, sagt Gregor Schwarz. „Wir sind aber so nah wie möglich an einen Anspruch herangekommen. Das ist eine gute Regelung für beide Seiten, die auch als Blaupause für andere ARD-Anstalten gelten könnte.“ Während der Verhandlungen, die fast ein Jahr gedauert haben, mussten auch praktische Fragen geklärt werden. Im Gegensatz zum mobilen Arbeiten, das lediglich das dezentrale Arbeiten beschreibt, greift beim Homeoffice die Arbeitsstättenverordnung, die genau besagt, wie ein Bildschirmarbeitsplatz in puncto Geräte, Beleuchtung und so weiter auszusehen hat. SWR-Mitarbeitende brauchen darum einen sogenannten Homeoffice-Führerschein und müssen dafür unter anderem Angaben zur technischen Ausstattung machen.
Nächste Frage: Desksharing
In der Betriebsvereinbarung der Braunschweiger Zeitung steht außerdem, dass je nach Auslastung der Büroflächen Desksharing-Konzepte nicht ausgeschlossen sind. Das muss dann aber vorab mit dem Betriebsrat erörtert werden. „Durch ihre Abwesenheit haben die Leute den Stein wohl leider ins Rollen gebracht“, so Arne Grohmann. Ein paar Kollegen haben Zettel mit ihren Namen an ihre Tische geklebt: „Hier sitzt …“ Sie möchten ihren einen eigenen Platz behalten. Bisher hat der Verlag nur im leerstehenden Konferenzraum ein Studio für Videoproduktionen eingerichtet, ein Desksharing-Konzept gibt es bisher nicht.
Auch bei der Böhme-Zeitung in Niedersachsen ist die eigentliche Redaktion bereits entrümpelt worden. Im Konferenzraum stehen nun auch Schaukelstuhl, Sitzsack und Sessel. Das Gebäude ist jetzt eigentlich viel zu groß für die wenigen anwesenden Mitarbeitenden. Vor kurzem hat der Verleger angekündigt, ein Mietobjekt zu suchen, in das der Verlag ziehen soll. Die Frage, wie viel mobil gearbeitet werden darf, haben die meisten Medienhäuser wohl für sich geklärt. Wie viel Arbeitsfläche dann noch für wen zur Verfügung steht, dürfte die nächste große Frage sein.
Kathi Preppner ist Medienjournalistin in Berlin.