Finanzratgeber für Freie

„Einen finanziellen Puffer von mindestens fünf bis sechs Monaten aufzubauen, ist unerlässlich.“ Stefanie Kühn, Finanzberaterin (Bild: Adobe Stock)

Viel Bürokratie, wenig Sicherheit: Es braucht Mut, sich als Journalist*in selbstständig zu machen. Hier beantworten wir die wichtigsten Finanzfragen der Freien.

Text: Sarah Neu und Mia Pankoke

18.03.2025

Wie schütze ich mich davor, in die Scheinselbstständigkeit zu rutschen?


Eine Scheinselbstständigkeit besteht, wenn Freie auf dem Papier selbstständig arbeiten, in der Realität aber wie Angestellte agieren. Zum Beispiel, indem sie ausschließlich von einem Unternehmen Aufträge und Lohn bekommen. Das ist ein ernsthaftes Risiko. Bemerken das Behörden, etwa das Finanzamt, drohen Nachzahlungen der Sozialabgaben plus Bußgelder. Außerdem kann eine solche Strafe das Aus für die Zusammenarbeit mit einem wichtigen Auftragsmedium bedeuten. Das lässt sich vermeiden, indem man für verschiedene Medien arbeitet. Denn entscheidend für den Status ist, dass Freie nicht regelmäßig und wesentlich für nur einen Auftraggeber arbeiten und selbst keine krankenversicherungspflichtigen Angestellten mit einem Gehalt von mehr als 520 Euro beschäftigen.

Wann genau eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, entscheiden Gerichte im Zweifel je nach Einzelfall und konkreten Arbeitsumständen. Daher sind auch Punkte wie die selbstbestimmte Gestaltung der Arbeit, flexible Arbeitszeiten und -orte sowie die Nutzung eigener Arbeitsmittel wichtig. Formulierungen in Verträgen, die das freie Dienstverhältnis betonen, reichen hingegen nicht. Das hat das Landesarbeitsgericht Hessen 2022 in einem Beschluss klargestellt. Demnach kommt es auf die tatsächliche Vertragsdurchführung und nicht auf die Bezeichnung im Vertrag an.
Informationen und Unterstützung gibt es online unter anderem bei dem mediafon-Projekt oder im Freien-ABC des DJV.

Wie sind freie Journalist*innen krankenversichert?


Freie Journalist*innen sind im Unterschied zu angestellten Beschäftigten meist nicht automatisch krankenversichert. Sie müssen sich selbst darum kümmern. Das geht entweder über die Künstlersozialkasse (KSK) oder privat. DJV-Versicherungsmakler Helge Kühl berät Journalist*innen bei Versicherungsfragen und empfiehlt Freien grundsätzlich, sich über die KSK zu versichern. Die Kasse übernimmt dabei gewissermaßen die Rolle eines Arbeitgebers: Sie zahlt nämlich die Hälfte der Sozialabgaben, also die Kosten für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Vorsicht: Die KSK selbst ist keine Krankenkasse. Mitglieder sind also nicht bei, sondern über die KSK bei ihrer herkömmlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung versichert – müssen die KSK-Mitgliedschaft dort allerdings nicht zusätzlich beantragen.

Um Mitglied in der Künstlersozialkasse zu werden, müssen sich freie Journalisten bei der KSK melden und einen zehnseitigen Fragenkatalog ausfüllen. Die KSK prüft, ob sie künstlerisch und publizistisch selbstständig tätig sind, das überwiegend in Deutschland tun und dabei im Jahr mehr als 3.900 Euro Gewinn machen. Nur wenn das der Fall ist, werden Freie aufgenommen. Der Beitrag, den Mitglieder monatlich an die KSK zahlen, berechnet sich auf Grundlage ihres voraussichtlichen Arbeitseinkommens. Das sind ihre Einnahmen ohne die Ausgaben für Arbeitsmittel und Reisekosten. Freie müssen das am Anfang jedes Jahres schätzen und der Künstlersozialkasse melden. „Dabei sollten sie keinesfalls pokern“, rät Kühl. „Wer sein Einkommen über Jahre hinweg bewusst zu niedrig angibt, um möglichst geringe Beträge zu zahlen, riskiert nicht nur eine satte Geldstrafe an die KSK, sondern bekommt später auch eine wesentlich schmalere Rente.“

Die Höhe berechnet sich schließlich nach den eingezahlten Beiträgen. Sparen können Freie laut dem Versicherungsmakler besser an anderer Stelle: Sie sollten etwa alle 18 Monate die Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen prüfen und gegebenenfalls zu einer günstigeren wechseln. Schon bei einem sozialversicherungspflichtigen Bruttoeinkommen von 3.000 Euro im Monat ließen sich bei einem um einen Prozentpunkt niedrigeren Beitragssatz 15 Euro monatlich, also 180 Euro im Jahr, sparen. „Damit hätte man schon das Geld für Berufs-, Privathaftpflicht- und die Auslandsreisekrankenversicherung – sofern man alle braucht – locker wieder eingespielt“, sagt Kühl.
Einen Online-Vergleich der gesetzlichen Krankenkassen finden Freie im Mitgliederbereich des DJV.
 

Kann ich über die KSK versichert bleiben, wenn ich noch einen anderen Job habe?
 

Oft sind Solo-Journalisten auf einen Nebenjob angewiesen, weil sie vom Schreiben allein nicht leben können. Ob sie in diesem Fall über die KSK versichert bleiben können, hängt vom Umfang des Zweitjobs ab. Wer nebenbei im Café oder an der Supermarktkasse arbeitet und weniger als 557 Euro im Monat verdient, muss sich keine Gedanken machen: Minijobs beeinflussen die Mitgliedschaft bei der KSK nicht. Freie, die nebenbei mehr als 556 Euro verdienen, müssen genauer hinschauen. Die Kranken- und Pflegeversicherung und die Rentenversicherung über die KSK messen ab diesem Punkt mit unterschiedlichem Maß. Für die Kranken- und Pflegeversicherung über die KSK
kommt es bei einem Zweitjob ab 556 Euro darauf an, was die Freien hauptberuflich machen. Das richtet sich danach, in welche Tätigkeit sie mehr Zeit stecken und womit sie mehr verdienen. Wer im Monat 1.000 Euro als freie*r Journalist*in – hier zählt wie bei den KSK-Beiträgen der Gewinn – und 1.500 Euro als Kellner*in verdient, erhält von der Künstlersozialkasse keinen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung mehr, weil die Einkünfte aus dem Zweitjob höher sind als die aus dem Journalismus.

Den KSK-Zuschuss zur Rentenversicherung gibt es in diesem Szenario allerdings nach wie vor. Hier zählt nicht, welche Tätigkeit überwiegt, sondern dass die Freien mit ihrem Zweitjob weniger als 4.025 Euro im Monat verdienen. Bei der Beschäftigung als Kellner*in schaut die KSK auf das Bruttogehalt, bei anderweitig selbstständiger Tätigkeit auf den Gewinn. Erst wenn Freie darüber hinaus verdienen, verlieren sie den KSK-Rentenzuschuss. „Solo-Journalisten sollten also immer prüfen, ob sie über die KSK rentenversichert bleiben können, auch, wenn sie die Kranken- und Pflegeversicherungszuschüsse nicht mehr erhalten, weil sie mit ihrem Zweitjob mehr verdienen als mit dem freien Journalismus“, rät Versicherungsmakler Kühl.

Gleiches gilt auch im umgekehrten Fall: Wer mit seinem Nebenjob mehr als 4.025 Euro im Monat verdient und deswegen keine KSK-Rentenzuschüsse bekommt, kann sich trotzdem über die KSK kranken- und pflegeversichern, solange die Einkünfte aus dem freien Journalismus überwiegen.
 

Kann ich meine Familie über die Künstlersozialkasse mitversichern?


Wer über die KSK bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, hat dieselben Ansprüche wie ein*e angestellte*r Arbeitnehmer* in. Dazu zählt, dass für
Ehepartner* innen und Kinder eine kostenlose Familienversicherung bestehen kann. Ob man darauf als Versicherte*r Anspruch hat, entscheidet die ausgewählte Krankenkasse. Die KSK-Mitgliedschaft hat darauf keinen Einfluss.

Eine größere Rolle spielt die KSK in puncto Kinderkrankengeld: Unabhängig von der ausgewählten Krankenkasse erhalten KSK-Versicherte je Kind bis zu 15 Tage im Jahr Krankengeld, Alleinerziehende bis zu 30 Tage je Kind. Bei mehreren Kindern gilt: Für alle Kinder zusammen sind höchstens 35 Tage, bei Alleinerziehenden 70 Tage möglich. Wie viel Krankengeld es gibt, hängt von dem für das jeweilige Jahr geschätzten Arbeitseinkommen ab, das Freie bei der KSK melden, umgerechnet auf den Tag. Wer wenig meldet, bekommt also auch wenig. Die gute Nachricht lautet: Wer nicht arbeiten kann, weil das Kind krank ist, muss in der Zeit auch keine Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung an die KSK zahlen. „Dafür sollten Eltern bei ihrer Krankenkasse umgehend eine Bescheinigung über die Kinderkrankengeldzahlung anfordern und an die KSK schicken“, rät Kühl.
 

Was gibt es für Freie bei der Elternzeit zu beachten?


Das Wichtigste zuerst: freie Journalist*innen haben wie Angestellte Anspruch auf Elterngeld. Trotzdem gibt es einige Besonderheiten. Grundsätzlich wird das Elterngeld für bis zu zwölf Monate gezahlt, macht der andere Elternteil aber ebenfalls eine Arbeitspause, gibt es zusätzliche zwei Monate. Beim Elterngeld plus geht die Elternzeit doppelt so lang, es gibt aber auch nur die Hälfte des Geldes. Ausgezahlt werden regulär 65 bis 100 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens, mindestens 300 und höchstens 1.800 Euro monatlich. Grundlage ist in der Regel der letzte Steuerbescheid. Der genaue Prozentsatz hängt also vom vorherigen monatlichen Einkommen ab. Freie, die weniger als 1.000 Euro verdient haben, bekommen anteilig mehr Prozente. Für alle mit einem Einkommen über 1.200 Euro sinkt der Prozentsatz auf bis zu 65 Prozent. Wer es genau wissen will, kann beim Elterngeldrechner nachschauen. Wichtig für Freie ist zudem, dass Honorare, für die vor der Geburt gearbeitet wurde, die aber erst während der Elternzeit eingehen, angerechnet werden. Gleiches gilt für alle, die während des Elterngeldbezugs arbeiten. Erlaubt sind maximal 32 Stunden pro Woche. Wer hingegen nicht weiter frei arbeitet, muss beachten, dass der Versicherungsschutz der KSK eventuell wegfällt. Freie sollten das frühzeitig klären und sich um Alternativen kümmern.
 

Wann habe ich als Freie*r einen Anspruch auf bezahlten Urlaub?


Das Recht auf bezahlten Urlaub haben lediglich arbeitnehmerähnliche Freie. Dazu zählen Solo-Journalist*innen, die über ein halbes Jahr ein Drittel ihrer Einkünfte bei einem Auftraggeber erzielen. Wer sechs Tage die Woche arbeitet, kriegt dann 24 Urlaubstage im Jahr bezahlt. Bei einer 5-Tage-Woche sind es 20 Tage im Jahr. Wer weniger arbeitet, erhält entsprechend weniger. Während des Urlaubs haben arbeitnehmerähnliche Freie Anspruch auf das durchschnittliche Honorar der letzten 13 Wochen vor Urlaubsantritt.
Kann der Urlaub nicht genommen werden, muss der Auftraggeber diesen Betrag trotzdem an den Freien zahlen. Das tut er allerdings nicht einfach so. Freie müssen die Zahlung einfordern.

Aus Angst, einen schlechten Eindruck zu machen, lassen deswegen viele ihren Anspruch auf bezahlten Urlaub verfallen. Doch hier sollte man keine falsche Scheu haben. Schließlich handelt es sich dabei nicht um eine Bonuszahlung, sondern um Geld, das klassische, nichtselbstständige Arbeitnehmer automatisch bekommen. Freie Journalist*innen, die in keinem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis arbeiten, haben gegenüber ihren Auftraggebern keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub. Sie müssen ihre Auszeiten selbst planen und finanzieren.
 

Welche Modelle der Altersvorsorge eignen sich für Freie?
 

Auch bei der Altersvorsorge spielt die KSK eine entscheidende Rolle für die soziale Absicherung. Freischaffend Publizierende müssen sich über die KSK versichern, was für eine grundlegende Absicherung sorgen und vor Altersarmut schützen soll. Die KSK übernimmt als Vermittlerin der Rentenversicherungen den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungsbeiträge, was bedeutet, dass freie Journalist*innen nur die Hälfte der Rentenbeiträge selbst tragen. Die KSK beruht, wie die herkömmliche Rentenversicherung, auf dem Prinzip der Solidargemeinschaft. Alle Beiträge bemessen sich nach dem Einkommen. „Diese gesetzlichen Beiträge sind aber nur das absolute Minimum“, sagt Finanzberaterin Stefanie Kühn. „Um vor Altersarmut geschützt zu sein, sind private Zusatzbausteine unverzichtbar.“ Für freie Journalistinnen gilt das besonders, da viele ohnehin wenig verdienen und dann auch noch häufig in Teilzeit arbeiten.

Kühn empfiehlt daher – insbesondere Jüngeren – das klassische Modell mit breit gestreuten ETFs. Das sind börsengehandelte Indexfonds, die die Wertentwicklung bestimmter Indizes automatisch abbilden. Bei den meisten Anbietern sind ETFs gebührenfrei, sodass sich Sparen schon mit kleinen Summen lohnt. Eine gute Verteilung sind beispielsweise 75 Prozent der monatlichen Sparrate mithilfe der ETFs in Aktien zu stecken und die restlichen 25 Prozent in Festgeld. Eine weitere Faustregel, die Kühn empfiehlt: zehn bis 15 Prozent vom durchschnittlichen Nettoeinkommen zusätzlich privat beiseitelegen. Steigen mit der Zeit die Einnahmen, gilt es, daran zu denken, die Sparrate anzupassen. Und noch ein Tipp: „Machen Sie einmal im Jahr Inventur und überprüfen Sie, ob bei Ihrem Broker immer noch keine Kosten anfallen. Wenn doch, wechseln Sie“, sagt Kühn. Von fertigen Versicherungsprodukten rät sie hingegen ab: „Die Kosten übersteigen am Ende die Vorteile.“ Auch noch gut zu wissen: das Autorenversorgungswerk der VG-Wort bietet freien Journalist*innen, die älter als 50 Jahre sind, unter gewissen Voraussetzungen einen einmaligen Zuschuss von bis zu 7500 Euro für die private Altersvorsorge. Auch das Versorgungswerk der Presse versichert Medienschaffende in Sachen Alters-, Berufsunfähigkeits- und Pflegevorsorge.
 

Was tun, wenn die Aufträge ausbleiben?


Eine Auftragsflaute oder andere Umstände, die das Arbeiten als freie Journalist*in verhindern, bedeuten de facto Arbeitslosigkeit. Für diese Fälle gilt es, die Existenz mit einer grundlegenden Vorsorge zu sichern. „Einen finanziellen Puffer von mindestens fünf bis sechs Monaten aufzubauen, ist unerlässlich“, rät Finanzberaterin Stefanie Kühn. Die zurückgelegte Summe sollte so groß sein, dass man damit während einer Durststrecke von mehreren Monaten alle Ausgaben wie Miete oder Versicherungen decken könnte. Beim Verhandeln der Honorare sollten Freie das – wenn möglich – schon mitdenken.

Das Geld liegt am besten auf Fest- oder Tagesgeldkonten und nicht in Aktien, denn dann ist es im Notfall nicht direkt verfügbar. Auch mit der Altersvorsorge sollten Freie erst anfangen, wenn dieser Puffer sicher aufgebaut ist. Eine weitere Möglichkeit für mehr Sicherheit ist die Diversifizierung, etwa Workshops anbieten, einen kostenpflichtigen Newsletter veröffentlichen oder den Nachwuchs coachen. Solche Nebentätigkeiten sind in schweren Zeiten sichere Einnahmequellen. Zu guter Letzt kann auch das Entwickeln einer persönlichen Marke eine gute Idee sein. Freie, die sichtbar – etwa durch einen persönlichen Blog – auf bestimmte Themengebiete spezialisiert sind, werden gern beauftragt.


Sarah Neu und Mia Pankoke sind Journalistinnen bei der Finanz- und Wirtschaftsredaktion wortwert.