Mein Blick auf den Journalismus

Wir brauchen eine investigative Kultur in allen Redaktionen

22.01.2019

In unserer neuen Serie "Mein Blick auf den Journalismus" fragen wir die klugen Köpfe der Branche, wie wir den Journalismus besser machen. Teil 1: Daniel Drepper. Er ist Chefredakteur von BuzzFeed Deutschland und hat dort im vergangenen Jahr ein vierköpfiges Newsteam aufgebaut. Drepper glaubt, dass der deutsche Journalismus sehr viel besser sein könnte, wenn er sich die richtigen Fragen stellen würde. Von Daniel Drepper

Redaktionen sollten sich auf ihre Stärken konzentrieren, sagt Daniel Drepper. Und weglassen, was andere besser können. (Foto: Jan Zappner, Bearbeitung: journalist)


Meine Mail ging raus am 5. Februar 2017 um 0.31 Uhr. Damals war ich noch Reporter bei Correctiv. Der Betreff: Follow-Up Editor-in-Chief Buzz-Feed Deutschland. Die Adressaten: BuzzFeed-US-Chefredakteur Ben Smith und Vice President of International Scott Lamb. Der Inhalt: ein knapp zehnseitiges Memo, in dem ich erkläre, wie ich ein neues News-Team aufbauen will, sollte ich Chefredakteur von BuzzFeed Deutschland werden.

„BuzzFeed wird nicht über allgemeine Nachrichten berichten. Wir werden nicht mit der Herde laufen. Die einzigen Inhalte, die wir in größeren Nachrichtenlagen liefern werden, sind Faktenchecks. Wir werden keine Ressourcen verschwenden, indem wir Dinge berichten, die andere Medien schon zur Genüge abdecken. Wir wollen mit unseren Recherchen Diskussionen anstoßen und voranbringen, statt erst darüber zu berichten, wenn die Politik entscheidet, diese Diskussionen zu führen.“

Und weiter:
„Wir werden transparenten und offenen Journalismus machen. Vor allem nach größeren Recherchen werden wir unsere journalistischen Entscheidungen erklären. Wir werden so häufig wie möglich Primärquellen und Dokumente veröffentlichen.“

Einiges aus diesem Memo setzen wir heute tatsächlich um. Andere Dinge habe ich erst einmal vertagt, oder meine Einschätzung hat sich als falsch herausgestellt. Aber diese beiden Absätze beschäftigen mich auch heute noch jeden Tag. Ich halte sie für die beiden zentralen Punkte im Journalismus.

Egal was gerade diskutiert wird, ob Haltung, der Umgang mit der AfD, Digitalisierung oder Geschäftsmodelle – am Ende geht es immer darum: Vertrauen aufbauen und Mehrwert schaffen. Für diese beiden Punkte steht auch unser Motto bei BuzzFeed News Deutschland: „Recherchen für dich“.

Es geht um Recherche. Und um den radikalen Fokus auf das Publikum. US-Chefredakteur Ben Smith hat eine solche redaktionelle Grundeinstellung mal eine „investigative Kultur“ genannt.

Ich finde: Wir brauchen eine investigative Kultur in allen Redaktionen. Deshalb beschreibe ich hier, wie wir versuchen, diese Kultur in unserem kleinen Newsteam zu etablieren.

In unseren Newsteam arbeiten vier Reporterinnen und Reporter mit klaren Schwerpunkten:

- Juliane Löffler (LGBT* – Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Feminismus)
- Pascale Müller (Sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch)
- Marcus Engert (Grundrechte)
- Karsten Schmehl (Social News und Desinformation)

Die Arbeit findet dabei in einer Art Laborsituation statt. Wir haben mit BuzzFeed Deutschland eine starke Reichweite, die sich – je nach Recherche – auch auf das News-Team übertragen kann. Wir können die Arbeit an Recherchen aus Einnahmen der Entertainment-Sparte subventionieren. Niemand erwartet, dass unser Newsteam stets die wichtigsten Nachrichten des Tages abdeckt. Wir können uns voll aufs Digitale konzentrieren und müssen nicht auf Einnahmen aus Print Rücksicht nehmen. Und ich konnte ein neues Team von null aufbauen: Mit jungen, hungrigen Reporterinnen und Reportern und einer neuen Vision.

"Der reine Transport von Botschaften ist heute unwichtiger denn je."

Gleichzeitig ist BuzzFeed in Deutschland noch immer vor allem für Entertainment bekannt. Das macht es besonders schwierig, bei einem skeptischen Publikum und potenziellen Quellen Vertrauen in unsere Arbeit herzustellen. Deshalb sind wir – selbst wenn wir uns dagegen sträuben würden – zu einer Kultur der Transparenz, zu einer Kultur des Mehrwerts, zu einer Kultur der aggressiven Recherche, zur investigativen Kultur geradezu gezwungen.

Wir haben verzichtet

Um das Vertrauen von Publikum und Quellen in unsere Arbeit zu steigern und damit regelmäßige Recherchen überhaupt erst möglich zu machen, haben wir von Anfang an ganz besonders stark in vertrauensbildende Maßnahmen investiert. Das geht los mit einfacher Textarbeit. Wir versuchen, im Text stets deutlich zu machen, ob wir Informationen bei einem persönlichen Treffen, per E-Mail oder am Telefon bekommen haben, ob es ein allgemeines Statement, ein Bericht in anderen Medien oder ein Gespräch mit BuzzFeed News war.

Vor einigen Monaten wollte uns die Pressestelle einer Partei ein Zitat zukommen lassen, das wir als „aus Parteikreisen erfuhr BuzzFeed“ zitieren sollten. Die Partei hatte Angst, sich öffentlich mit einer anderen Partei anzulegen. Wir verzichteten auf das Zitat und besorgten uns unsere Informationen an anderer Stelle. Am nächsten Tag lasen wir in zahlreichen Medien die von der Pressestelle vorgegebene Formulierung. Medien, die dieses Spiel mitspielen, lassen sich von einer Partei einspannen – und betrügen ihre Leser.

Wir versuchen stets zu beschreiben, wo unsere Informationen herkommen, und veröffentlichen Originaldokumente, wann immer möglich – statt nur daraus zu zitieren. Dazu gehören exklusive Gesetzentwürfe, interne EU-Berichte und Wortprotokolle aus dem Bundestag. Das sind nicht nur Belege für unsere Äußerungen, wir geben dem Publikum auch die Chance, tiefer einzusteigen. Und schaffen die Möglichkeit zu weiteren Geschichten bei uns – oder in anderen Medien. Und wenn es dem Verständnis dient, veröffentlichen wir auch die Methodik hinter der Recherche oder ein ausführliches Rechercheprotokoll.

Wir sind ansprechbar und veröffentlichen die Kontaktdaten der jeweiligen Reporterinnen und Reporter unter jedem Artikel. Wir machen unseren persönlichen Blick auf den Journalismus deutlich – unsere Haltung, wenn man so will. Dafür haben wir einen ausführlichen Text veröffentlicht, in dem jede Reporterin und jeder Reporter über ihre oder seine Arbeit schreibt – und sogar angibt, in welchen Vereinen sie oder er Mitglied ist.

Wir machen das, weil wir uns bewusst sind, dass es keine Objektivität gibt, und wir auch nicht versuchen, diese vorzutäuschen. Wir haben stattdessen eine Haltung, die wir transparent machen, aber wir verwechseln diese nicht mit Meinung. Um das deutlich zu machen, soll unsere Recherche so leicht nachvollziehbar sein, wie nur möglich. Wir wollen unsere Recherche objektivieren. Wir wollen dem Publikum klar machen, dass wir uns Mühe gegeben haben, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Und dass irgendwann Aktivisten und Politik übernehmen müssen. Denn: „It’s not our job to move the rock, it’s our job to push the rock.“

Team-Therapie beim Podcast

Über die Hintergründe unserer Arbeit, über Herausforderungen bei der Recherche und unsere Fehler reden wir in regelmäßigen Abständen auch in unserem Podcast „Unterm Radar“. „Team-Therapie“, sagen wir scherzhaft. Und das ist nur ein wenig übertrieben, denn natürlich hilft das dem Team-Spirit, wenn wir alle paar Wochen gemeinsam und öffentlich über unsere Herausforderungen und unsere Fehler sprechen.

Das alles sind Mittel, unsere Nutzer in unsere Recherchen einzubeziehen. Das gilt auch für Umfragen, zum Beispiel zu sexualisierter Gewalt oder zu Hass gegen Menschen, die lesbisch oder schwul sind. Hunderte Menschen melden sich mit ihren Geschichten, wenn wir die mächtigsten Worte im Journalismus nutzen: Hilf uns zu recherchieren! Vielleicht melden sich bei uns auch so viele Menschen, weil andere Medien immer noch viel zu selten um Hilfe bitten. Immer häufiger melden sich Quellen bei uns, weil sie unsere Arbeit schätzen.

Und das ist der zweite Punkt: Es geht nicht primär darum, dass Menschen uns mögen – es geht darum, dass wir gute Recherchen produzieren. Das heißt: Wenn sich Quellen bei uns melden, müssen wir nicht nur in der Lage sein, mit diesen Informationen zu arbeiten. Wir müssen uns auch die Freiräume schaffen, uns mit den Informationen lange genug beschäftigen zu können. Oder anders: Wie schaffen wir es, uns von so vielen Zwängen frei zu machen, dass wir tatsächlich Recherchen mit Mehrwert leisten können?

Als Team mit dem Wort „News“ im Namen haben wir uns zu Beginn sehr viele Gedanken gemacht, wie häufig wir bei aktuellen Ereignissen eigentlich „Nein“ sagen können. Wir haben auch lange darüber nachgedacht, wie viel Energie wir darauf verwenden sollten, auf Social Media gut teilbare Videos und Text- oder Fototafeln zu produzieren. Diese Fragen hören nie auf, aber wir lernen, immer häufiger „Nein“ zu sagen. Denn ich glaube fest daran: Langfristig profitieren wir davon, wenn wir uns auf Recherchen konzentrieren, die etwas hinzufügen, die wir exklusiv bei BuzzFeed News Deutschland veröffentlichen – und die wir außerdem auch selber gerne machen möchten.

Mehrwert: Das kann eine Recherche zu Missbrauch und Vergewaltigung von Erntehelferinnen sein, zu den massiven Fehlerquoten der automatischen Kennzeichenerfassung, zu neuen rechten Meinungsmachern auf Facebook und Youtube, zu #MeToo in den Medien oder zur alltäglichen Gewalt gegen Menschen, die eine sexuell andere Orientierung haben als die Norm.

Wir wollen Geschichten veröffentlichen, die noch niemand berichtet hat, die exklusiv sind. Und die trotzdem viele Menschen betreffen. Mein früherer Kollege David Schraven, Geschäftsführer von Correctiv, hat damals den Begriff der „Themenautobahn“ geprägt. Ich finde, das trifft es.

Deshalb schauen wir in erster Linie darauf, ob unsere Recherchen für Diskussionen sorgen. Ob sie von anderen Medien aufgegriffen werden. Ob sich Experten damit auseinandersetzen. Ob die Politik ein Thema aufgreift. Dafür haben wir ein Whiteboard im Raum, in dem wir jede Woche notieren, welche unserer Geschichten in welchem anderen Medium erwähnt worden ist. Das tut einem kleinen, neuen Team gut, wenn es sieht – wir produzieren nicht in ein schwarzes Loch. Wir suchen Relevanz und finden sie auch.

Einmal die Woche schreibe ich eine E-Mail ans Team, in der ich nicht nur Klicks und Reaktionen auf Social Media auswerte, sondern vor allem auf die Relevanz der Recherchen und die ausgelösten Diskussionen blicke.

Konzentrieren wir uns auf den geilen Scheiß

Trotz dieses Fokus, der auch Zitate in anderen Medien einschließt, wollen wir nicht der Nachrichten-Agenda hinterherhetzen. Wir wollen nicht versuchen, auf Teufel komm raus Agenturmeldungen zu produzieren. Denn dann bräuchten wir die Nähe zur Politik, müssten angeblich exklusive Zitate einfangen und diese zu Meldungen aufblasen, die häufig keine sind und bei denen wir am Ende doch nur eine Abspielfläche für die Politikerin oder den Wirtschaftsboss wären. Dann müssten wir Zugang statt Kontrolle wählen.

"Wenn ich mir klassische Nachrichtenticker oder Sender ansehe, dann denke ich mir regelmäßig: Sind das wirklich die Dinge, die Leute interessieren und betreffen?"

Das wollen wir nicht. Denn eine Abspielfläche für Politikerinnen und Wirtschaftsbosse sein, das halte ich für eines der überflüssigsten Dinge, die Journalisten heute tun können. Jede Firma, jeder Verein, jede Partei hat eigene Kanäle, über die sie ihre Botschaften immer häufiger sogar effizienter verbreiten kann, als über die Medien. Der reine Transport von Botschaften ist heute unwichtiger denn je. Wenn wir der Gesellschaft etwas geben wollen, dann müssen wir recherchieren. Dinge aufdecken, die andere nicht veröffentlicht sehen wollen. Vor fünf Jahren habe ich im journalist ziemlich genau das aufgeschrieben - und gefordert, dass wir all die überflüssigen Dinge radikal streichen: „Konzentrieren wir uns auf den geilen Scheiß.“ Genau das wollen wir bei BuzzFeed News Deutschland versuchen.

Es geht darum, so viel echten Journalismus zu machen, wie irgend möglich. Weg von rein klickgetriebenen Entscheidungen. Weg von einer „News“-Agenda, die von außen vorgesetzt wird. Weg vom Agenturmeldungs-Geschubse. Weg davon, lustlose Zusammenfassungen über TV-Formate zu schreiben, die man nicht einmal gesehen hat – nur damit der SEO-Traffic hoch bleibt. Hin zur Recherche, zu „Time well spent“ und damit auch hin zu eigenen journalistischen Entscheidungen, welche Schwerpunkte wir setzen.

Wenn ich mir klassische Nachrichtenticker oder Sender ansehe, dann denke ich mir regelmäßig: Sind das wirklich die Dinge, die Leute interessieren und betreffen? Wer schaut und liest das? Und gibt es vielleicht etwas, das die Menschen lieber lesen wollen? Und nach dessen Lektüre sie sich nicht leerer, sondern klüger fühlen? Was betrifft sie in ihren Leben? Was fehlt in anderen Medien oder wird nicht ernst genug genommen? Wo ist der Impact pro Arbeitskraft am größten?

Viele Scoops = große Investigation

Das heißt nicht, dass wir uns für jede Veröffentlichung Monate Zeit nehmen müssen. Im Gegenteil. Durch die Arbeit in Schwerpunkten können wir regelmäßig auch kleinere Scoops in unserem Themen veröffentlichen. Das hilft, ein Publikum zu entwickeln – und Quellen zu zeigen, dass wir vorne dabei sind und es sich lohnt, mit uns zu sprechen.

Ein Beispiel, an dem wir uns orientieren, ist die Arbeit von Marta Orosz und Justus von Daniels bei Correctiv. In den Jahren 2015 und 2016 haben Marta und Justus nicht eine große Recherche zu TTIP publiziert, sondern regelmäßig Scoops veröffentlicht, langfristig immer mehr Quellen entwickelt und irgendwann die komplette Berichterstattung dominiert, inklusive zahlreicher Leaks geheimer Dokumente und Impact auf die Verhandlungen. Sie waren nicht nur die Ersten, sie waren auch die Umfassendsten. Und das alles als Vertreter eines kleinen Recherchebüros ohne langjährige Kontakte in die Politik. So sollten mehr Reporterinnen und Reporter arbeiten. Solche Bedingungen sollten mehr Verlage und Chefredaktionen schaffen.

An einem Samstag im April fuhr in Münster ein Auto in eine Menschenmenge. Fünf Menschen starben. Es dauerte nur wenige Minuten, bis unser komplettes Newsteam automatisch im WhatsApp-Kanal versammelt war, um über eine mögliche Berichterstattung zu diskutieren. Und obwohl alle auch am Wochenende bereit waren, aktuell einzusteigen, haben wir uns entschieden, nur das zu machen, was die anderen Medien nicht gemacht haben und wo wir besondere Expertise haben: Wir haben Falschmeldungen gesammelt und widerlegt. kein Live-Ticker, keine Analyse, kein Kommentar. All das, was auf anderen Seiten stattfand, haben wir uns gespart.

Als Bayern am 14. Oktober bei der Landtagswahl die CSU abstrafte, haben wir nichts dazu veröffentlicht. Stattdessen habe ich einen Tweet gesendet: Wir machen heute bei @BuzzFeedNewsDE übrigens nichts zur #Bayernwahl, weil
- es Hochrechnungen auf allen anderen Seiten gibt;
- ich nicht den Eindruck habe, es mangele an Meinung und Analyse;
- wir unsere knappen Ressourcen für eigene Recherchen nutzen.
-> Empfehle @sz #ltw18by

Hunderte Leute haben positiv auf eine Entscheidung reagiert, die ich für die einzig sinnvolle halte.

Wir haben keine Agenturen abonniert. Wir gehen – mit wenigen, aus der Recherche begründeten Ausnahmen – auf keine Pressekonferenzen. Wir machen fast keine Meinungsstücke. Und wenn jemand anderes eine Story aus unseren Schwerpunkten stark recherchiert hat und wir glauben, wir können sie nicht besser machen, dann lassen wir es bleiben.

Was wir brauchen: Vision und Stärke

Wir entwickeln eine eigene Idee davon, was wir mit unserem Journalismus wollen: Welche Recherchen machen wir langfristig? Welche gesellschaftlichen Bereiche wollen wir beobachten? Wo braucht es mehr Licht und wo können wir als kleines Team dieses Licht effizient hintragen? Was können wir tun, um dem gesellschaftlichen Diskurs etwas hinzuzufügen? Das sind entscheidende Fragen, über die viel mehr diskutiert werden sollte.

Für eine selbstbewusste Konzentration auf Schwerpunkte und Recherchen braucht es vor allem zwei Dinge:

1. Eine klare Richtung für das Team, eine Vision, ein Mission Statement – wie auch immer es heißen soll. Auf diesen Kompass kann man sich nicht nur immer wieder zurückbesinnen, man kann mit seiner Hilfe auch darüber nachdenken, warum man das alles überhaupt macht. Er kann helfen, die Selbstgespräche innerhalb der Redaktion zu fokussieren. Damit wöchentliche Sitzungen über das klassische „Was machen wir heute?“ hinausgehen und sich Redaktionen häufiger selbstkritisch mit grundsätzlichen Fragen befassen.

2. Institutionelle Stärke. Als ich vor fünf Jahren an der Columbia Journalism School studiert habe, hat unsere Professorin Sheila Coronel häufig mit uns über grundsätzliche Fragen gesprochen. Eine Sorge, die Sheila hatte: Wenn Medienhäusern die Einnahmen wegbrechen, dann gibt es nicht nur weniger Journalismus, dann gibt es vor allem weniger Institutionen, die stark genug sind, sich mit Politik und Wirtschaft anzulegen. Wir haben bei BuzzFeed ein internationales Unternehmen im Rücken, das Lust hat auf Streit. Und das gute Anwälte bezahlt, die offensiv für unsere Interessen streiten – statt defensiv darauf aus zu sein, ja keine Fehler zu machen. Auch wenn es nicht jeden Tag um die Veröffentlichung der Pentagon Papers geht, sondern um Mobbing in der Max-Planck-Gesellschaft oder radikale Abtreibungsgegner: Wir werden fürs Veröffentlichen bezahlt, nicht fürs Verschweigen. Wer diese Haltung nach außen hin ausstrahlt, der wird nicht nur für sein Publikum interessanter – sondern auch für potenzielle Quellen.

Wir sind bei BuzzFeed Deutschland auf einem guten Weg. Ja, vieles ist für uns unter den eingangs genannten Laborbedingungen leichter umzusetzen als für andere Redaktionen. Gleichzeitig könnten große Redaktionen aber mehr erreichen, wenn sie selbst eine „investigative Kultur“ aufbauen. Ich glaube, dass der Journalismus in Deutschland – selbst mit weiter schwindenden Ressourcen – insgesamt sehr viel bessere Arbeit machen könnte. Wenn wir uns alle viel häufiger fragen würden, was der Kern des Journalismus ist und wir unsere Arbeit bestmöglich in den Dienst des Publikums stellen können.

Daniel Drepper ist Chefredakteur von BuzzFeed Deutschland und zu erreichen auf Twitter via @danieldrepper oder per Mail unter daniel.drepper@buzzfeed.com.

Teil 1: Daniel Drepper, Chefredakteur von BuzzFeed Deutschland
Teil 2: Carline Mohr, Social-Media-Expertin
Teil 3: Georg Mascolo, Leiter des WDR/NDR/SZ-Rechercheverbunds
Teil 4: Hannah Suppa, Chefredakteurin Märkische Allgemeine
Teil 5: Florian Harms, Chefredakteur von t-online.de
Teil 6: Georg Löwisch, taz-Chefredakteur
Teil 7: Stephan Weichert, Medienwissenschaftler
Teil 8: Julia Bönisch, Chefredakteurin von sz.de
Teil 9: Ellen Ehni, WDR-Chefredakteurin
Teil 10: Barbara Hans, Spiegel-Chefredakteurin
Teil 11: Sascha Borowski, Digitalleiter Augsburger Allgemeine
Teil 12: Richard Gutjahr, freier Journalist, Start-up-Gründer und -Berater
Teil 13: Benjamin Piel, Chefredakteur Mindener Tageblatt
Teil 14: Josef Zens, Deutsches GeoForschungsZentrum
Teil 15: Christian Lindner, Berater "für Medien und öffentliches Wirken"
Teil 16: Nicole Diekmann, ZDF-Hauptstadtjournalistin
Teil 17: Carsten Fiedler, Chefredakteur Kölner Stadt-Anzeiger
Teil 18: Stella Männer, freie Journalistin
Teil 19: Ingrid Brodnig, Journalistin und Buchautorin
Teil 20: Sophie Burkhardt, Funk-Programmgeschäftsführerin
Teil 21: Ronja von Wurmb-Seibel, Autorin, Filmemacherin, Journalistin
Teil 22: Tanja Krämer, Wissenschaftsjournalistin
Teil 23: Marianna Deinyan, freie Journalistin und Radiomoderatorin
Teil 24: Alexandra Borchardt, Journalistin und Dozentin
Teil 25: Stephan Anpalagan, Diplom-Theologe, Journalist, Unternehmensberater
Teil 26: Jamila (KI) und Jakob Vicari (Journalist)
Teil 27: Peter Turi: Verleger und Clubchef
Teil 28: Verena Lammert, Erfinderin von @maedelsabende
Teil 29: Anna Paarmann, Digital-Koordinatorin/Landeszeitung für die Lüneburger Heide (LZ)
Teil 30: Wolfgang Blau, Reuters Institute for the Study of Journalism der Universitäte Oxford
Teil 31: Stephan Anpalagan, Diplom-Theologe, Journalist, Unternehmensberater
Teil 32: Simone Jost-Westendorf, Leiterin Journalismus Lab/Landesanstalt für Medien NRW
Teil 33: Sebastian Dalkowski, freier Journalist in Mönchengladbach
Teil 34: Justus von Daniels und Olaya Argüeso, Correctiv-Chefredaktion
Teil 35: Benjamin Piel, Mindener Tageblatt
Teil 36: Joachim Braun, Ostfriesen-Zeitung
 

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