Ingo Notthoff

Wer braucht jetzt noch einen Podcast?

25.04.2023

Ist das Audioformat Podcast immer noch im Aufwind? Ingo Notthoff, lange Jahre Journalist und Kommunikator, sagt: ja. Er hat sich mit einem Unternehmen für Audioformate selbstständig gemacht und gibt hier einen Überblick über den Markt. Diese 11 Punkte sollten Sie zum Thema Podcast wissen. Text: Ingo Notthoff

Ingo Notthoff: "Ein verhalltes, schlecht aufgenommenes Audioformat lässt sich zwar verbessern, aber nicht auf Hochglanz polieren." (Foto: Ton.Eins)

1 Podcast-Landschaft in Deutschland

Je nachdem welche Erhebung herangezogen wird, hören in Deutschland mal mehr und mal weniger Menschen Podcasts. Laut dem Digitalverband Bitkom sind es 43 Prozent, 19 Prozent davon sogar täglich. Bei jüngeren Menschen zwischen 16 und 29 Jahren konsumiert sogar mehr als die Hälfte – genau 56 Prozent – regelmäßig Podcasts. Damit sind die Audio-Talks nicht mehr aus der deutschen Medienlandschaft wegzudenken.

Ein Blick auf die aktuellen Spotify- und Apple-Podcasts-Charts (Anfang März 2023) zeigt: Unterhaltungs-Formate dominieren, darunter unter anderem die Podcasts Kaulitz Hills – Senf aus Hollywood, Nachmittagsjause mit Ankat und Fest & Flauschig. Doch finden sich auch Informations-, Nachrichten- und Talk-Formate auf den ersten 20 Plätzen, wie Die Ernährungs-Docs – Essen als Medizin, Lanz & Precht und Zeit Online – Was jetzt?. Laut einer Bitkom-Befragung hören die Deutschen am liebsten Nachrichten-, Gesundheits-, Wirtschafts-, Business- und Fitness-Podcasts. Aber auch Comedy-, Politik- und Bildungsformate sind gefragt.

2 US-Markt mit Vorsprung

Ein Blick auf den Podcast-Markt in den USA zeigt, welches Potenzial Deutschland noch hat. So haben laut einer Befragung von Edison Research 64 Prozent der Amerikaner schon mal einen Podcast gehört. Mehr als 50 Prozent zwischen 12 und 54 Jahren hören monatlich Podcasts – durchschnittlich neun Folgen pro Woche. So ist es nicht verwunderlich, dass die weltweit erfolgreichsten Podcasts wie The Joe Rogan Experience mit rund 11 Millionen Hörer*innen, Crime Junkie und Call Her Daddy aus den USA stammen. Laut Statista soll allein die Podcast-Nutzung auf Spotify in den USA bis 2026 von rund 36 Millionen auf rund 43 Millionen Hörer*innen ansteigen. Dies entspräche einem Wachstum von fast 20 Prozent in nur drei Jahren.

3 Kampf um die Hörer*innen

Nicht nur in den USA, auch hierzulande ist der Podcast-Markt hart umkämpft: Spotify produziert exklusive Formate wie Gemischtes Hack, mit über einer Million Hörer*innen, die Google-Tochter Youtube will Podcasts in Youtube Music integrieren, Amazon kontert mit werbefreien Formaten wie Kurt Krömer – Feelings, Apple stattet seine Podcast-App regelmäßig mit neuen Features aus, und der Wirtschafts-Newsletter und -Podcast The Pioneer Briefing hat ein eigenes Abo-Modell, mit dem alle Podcasts in voller Länge gehört werden können.

Der Fokus der großen Audio-Streaming-Anbieter liegt auf bezahlten Abos und vor allem auf Werbeeinahmen. Laut einer Prognose des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) sollen sich die Umsätze mit Podcast-Werbung im vergangenen Jahr um 30 Prozent auf 39 Millionen Euro erhöhen. Finale Zahlen für 2022 sowie eine Prognose für das laufende Jahr werden im zweiten Quartal 2023 erwartet.

4 Der Erfolg von Podcasts

Aber warum sind Podcasts eigentlich so erfolgreich? Mein erster Gedanke vor ein paar Jahren in einem Gespräch zum Thema Podcast war: „Eine Stunde Podcast hören? Dafür habe ich keine Zeit!“ Und damit lag ich falsch. Podcasts sind neben Hörbüchern, Radio und Musikstreaming ein „Nebenbeimedium“. Gehört werden die Audio-Gespräche auf der Fahrt zur Arbeit – im Auto, in der Bahn, im Bus und auch auf dem Fahrrad (bitte nur mit einem Ohrhörer) – während dem Sport, beim Spazierengehen, bei der Hausarbeit, am Bahnsteig, in der Flughafen-Lounge, beim Einkaufen und so weiter. Die Menschen investieren also keine zusätzliche Zeit wie beim Schauen von TV-Sendungen und Video-Streaming, Lesen von Zeitungen und vor allem beim Surfen im Internet durch die sozialen Medien.

"43 % der Deutschen hören Podcasts. 19 % davon sogar täglich."

Regelmäßig wird die Frage aufgeworfen, ob die Zukunft von Podcasts nicht in Video-Podcasts liegt. Wenn es um schwer erklärbare Inhalte geht, wo passendes Bewegtbild zum schnelleren und besseren Verständnis beiträgt – sicherlich. Doch der Großteil meines Umfelds spricht sich klar gegen Video-Podcasts aus. Dies hat eine kurze Umfrage auf Linkedin ergeben, die natürlich nicht repräsentativ ist, doch zumindest die Tendenz zeigt: Ein Podcast sollte ein Nebenbeimedium bleiben.

5 Ideale Podcast-Länge

Was viele verwundert, die sich noch nicht mit dem Thema Podcasts auseinandergesetzt haben oder auch keine hören: Es gibt Formate, die länger als eine Stunde sind. Das ist eine Menge Zeit in einer sich gefühlt immer schneller drehenden Welt. So knackt der Podcast Betreutes Fühlen regelmäßig die 60-Minuten-Marke und erfreut sich nach wie vor hoher Beliebtheit. Im Vergleich zur Aufmerksamkeitsspanne im Internet sind das Rekordwerte. So geht es auf Instagram in Sekundenschnelle von einem Post zur nächsten Story, und selbst umfangreiche Nachrichtenportale wie Spiegel Online oder Tageschau werden von vielen nur noch täglich „gescannt“.

Laut Bitkom liegt die ideale Länge eines Podcasts bei 26 Minuten, was aber letztlich vom Format abhängig ist. Ein spannendes Gespräch kann dann auch mal länger dauern, wie beim Zeit-Podcast Alles gesagt?. Die längste Folge dauerte hier über neun Stunden. Dagegen reichen für tägliche News-Updates auch 15 Minuten und für die Wissensvermittlung auch mal nur 10 Minuten.

6 Podcast für Medien und Unternehmen

Mit Blick auf die Aufmerksamkeitsspanne sind Podcasts auch für Medien und Unternehmen relevant. Wo schenken einem die Hörer*innen sonst noch so viele Minuten ihrer kostbaren Zeit? Daher sind Podcasts gerade für Marken ein Traum, der sich für Hörer*innen aber schnell zum Albtraum entwickeln kann. Denn mittlerweile will fast jedes Unternehmen mit einem Podcast in seiner anvisierten Zielgruppe punkten. Viele Brands wissen aber gar nicht, wie sie das Thema angehen sollen und legen einfach mal los.

Schnell Erfahrungswerte zu sammeln, dagegen spricht erst mal nichts. Doch Kunden mit schlecht verständlichen, inhaltlich mageren und wenig emotionalen Podcasts zu vergraulen, gehört eigentlich nicht zur Aufgabe des Marketings. Das klingt jetzt sehr schwarzweiß, denn es gibt auch viele positive Beispiele wie den Podcast Iss so von Edeka zum Thema Ernährung, den Podcast ElecTrip des Energiekonzerns Eon über die Zukunft der Mobilität und den OMR-Podcast (Online Marketing Rockstars) von Philipp Westermeyer – einer der Podcast-Pioniere in Deutschland – mit mittlerweile über 550 Folgen.

7 Welches Format soll es sein?

Wer ein Podcast-Format entwickeln will, muss zunächst Ziele und Zielgruppen genau festlegen und sich dann um den Inhalt kümmern. Erst wenn die Themen stehen, sollte es um das Format gehen. Soll es ein Talk mit Gästen werden, ein Interview, geht es eher um die Wissensvermittlung oder sollen Mitarbeiter*innen zu Wort kommen? Es gibt viele Möglichkeiten. Relevant ist auch die Wahl des richtigen Hosts. Das muss nicht immer ein professioneller Sprecher sein. Wichtig ist aber, dass er authentisch ist. So sind Expert*innen innerhalb von Unternehmen, die für ein Thema stehen, in vielen Fällen professionellen, aber fachfremden Sprecher*innen vorzuziehen. Doch dies ist abhängig vom Format.

Einige Häuser nutzen auch Influencer*innen als Host. So startet der Podcast durch die Bekanntheit der Person meist schnell mit einer höheren Reichweite. Ein Beispiel ist der Podcast Vitamin G der Volks- und Raiffeisenbanken mit Youtuber Felix von der Laden. Allerdings entstehen dadurch erhöhte Kosten für das Engagement des Hosts.

8 Aufnahmequalität entscheidend

Bleibt das Thema Kosten. Eine beliebte Frage ist: „Was kostet denn so ein Podcast? So eine Aufnahme kann ja nicht so teuer sein?“ Vorab: Ein verhalltes, schlecht aufgenommenes Audioformat lässt sich zwar verbessern, aber nicht auf Hochglanz polieren. Sicher, Audioformate lassen sich mit günstigstem Equipment aufnehmen. Smartphone raus und los geht’s. Dabei wird nur leider vergessen, welche Qualität dabei herauskommt. Denn die Hörer*innen erwarten auch von Medien- und Unternehmens-Podcast die gleiche Tonqualität wie von den Podcasts aus den Top 10.

"Umsatzbringer: Der Podcast-Werbemarkt wächst. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) hatte für 2022 prognostiziert, dass sich die Umsätze mit Podcast-Werbung um 30 Prozent auf 39 Millionen Euro erhöhen werden."

Also sind von Anfang an gute Mikrofone und hochwertiges Aufnahmeequipment einzuplanen sowie ein möglich akustisch behandelter Raum ohne Nachhall. Medienhäuser, die öfter Podcasts aufnehmen möchten, sollten dafür einen eigenen Raum bereitstellen, diesen entsprechend ausstatten und die Kosten mit einplanen.

9 Einmal Hochglanz bitte

Ähnliches gilt für die Postproduktion: Es ist für die Hörbarkeit wichtig, einen Podcast richtig zu produzieren. Das fängt an mit dem redaktionellen Schnitt, der Entfernung von Störgeräuschen, Versprechern und recht häufigen „Ähms“ und geht weiter mit der Verbesserung der Sprachverständlichkeit, einer Reduktion der Dynamik der Stimmen und dem Anpassen (Mastering) der Lautstärke für die Vorgaben von Spotify, Amazon Music, Apple Podcasts und so weiter.

Wichtig ist es auch, für das Ohr unangenehme Frequenzen zu entfernen, wie Zischlaute und Mundschmatzer, sowie zu laute Atemgeräusche und Plosivlaute abzusenken. So kann die Postproduktion eines Podcasts schnell die drei- bis vierfache Zeit der eigentlichen Länge der Folge in Anspruch nehmen – je nach Qualitätsanspruch auch länger. Nicht zu vergessen ist eine passende Intro-Musik für den Anfang, die komponiert und produziert werden muss sowie ein ansprechendes Cover. Das alles wirkt sich auch aufs Budget aus.

10 Podcast fertig – und jetzt?

Hurra, wir sind auf Spotify – nur tausend andere Podcasts auch. Daher ist es schon vor dem Start wichtig zu planen, wie dieser verbreitet werden soll. Für ein Medienhaus mit hoher täglicher Reichweite ist dies sicher einfacher als für Unternehmen. Trotzdem muss man sich vorab fragen: Welche eigenen Social-Media-Kanäle können bespielt werden? Gibt es einen Newsletter oder eine App? Wie kommt der Podcast auf die Website? Wie findet Google das Audioformat? Wer verfasst die Shownotes und übernimmt die Suchmaschinenoptimierung? Wo muss Reichweite zusätzlich eingekauft werden? Gibt es mögliche Kooperationen?

Auch direkt mit einzuplanen ist der Bedarf an Foto- und Videomaterial. So sollte eine Aufnahme-Session auch immer genutzt werden, um Bilder zu machen und kurze Clips zu drehen – unter anderem für Youtube-Shorts, Instagram-Stories und -Reels sowie Tiktok. Je nach Zielgruppe gilt das auch für Business-Kanäle wie Linkedin und Xing. Dabei muss nicht immer alles direkt Hochglanz sein. Oft reicht schon ein Smartphone mit guter Kamera und jemand, der sich gut mit den Social-Media-Kanälen und -Formaten auskennt.

11 Langfristige Bindung mit Emotionen

Eine ansprechende Podcast-Serie ist keine Raketenwissenschaft, aber auch nicht mal eben so gemacht. Und ja, es kann einige Zeit dauern, bis das Audioformat ins Rollen kommt. Der Lohn für die Arbeit ist aber dafür umso wertvoller: langfristig Hörer*innen emotional zu binden. Dies beeinflusst natürlich unterbewusst Lese-, Hör-, Seh- und Kaufentscheidungen.

Mit Blick auf die Jüngeren, für die es normal ist, Podcasts zu hören, empfiehlt es sich daher, sich spätestens jetzt mit dem Medium auseinanderzusetzen. Und dies funktioniert am besten, indem man selbst anfängt, unterschiedliche Podcasts zu hören. Erst so entsteht ein eigenes Gefühl für das Audioformat.

Ingo Notthoff ist Gründer von Ton.Eins und produziert Business-Podcasts für Unternehmen, Marken und Medien. Zuletzt war er Kommunikationsleiter bei der Aktion Mensch.

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