Die Redaktionen des Jahres

NDR gewinnt die meisten Journalistenpreise 2022

02.05.2023

Der journalist hat für 2022 wieder exklusiv ausgewertet, welche Medienhäuser hierzulande die meisten Journalistenpreise gewonnen haben. Diesmal wird das Treppchen ausschließlich von öffentlich-rechtlichen Sendern belegt: Der NDR liegt mit 24 Preisen ganz vorne, dicht gefolgt vom WDR mit 23 Auszeichnungen. Der SWR landet mit 21 Preisen auf dem dritten Platz. Auswertung: Frederik Holtkamp, Text: Kathi Preppner

Maria Christoph und Nora Voit war bewusst, dass sie mit ihrer Recherche ein gewisses finanzielles Risiko eingehen würden. Aber als sich immer mehr Betroffene bei ihnen meldeten und froh waren, einmal über ihre Erlebnisse und den harten Umgang in der Spitzengastronomie sprechen zu können, wollten sie das Thema unbedingt angehen. Christoph war damals feste Freie beim Bayerischen Rundfunk, Voit freie Journalistin. „Uns war klar, wenn wir das machen, dann weil es ein Herzensprojekt ist“, sagt Christoph.

Im September 2021 ist ihr Text „Gruß aus der Küche“ im Zeit-Dossier erschienen. Eineinhalb Jahre hatten die beiden Absolventinnen der Deutschen Journalistenschule (DJS) dafür recherchiert, finanzielle Unterstützung hatten sie durch ein Stipendium von Netzwerk Recherche. Aber auch die Journalistenpreise trugen zur Refinanzierung der langen Recherche bei: 2022 haben Christoph und Voit mehrere Preise eingesammelt: den Axel-Springer-Preis in Bronze, den Deutschen Journalistenpreis, den Willi-Bleicher-Preis und den dritten Preis beim Helmut-Schmidt-Journalistenpreis. Für den Theodor-Wolff-Preis waren sie nominiert.

Zwei der Preise von Christoph und Voit zahlen in der aktuellen Journalistenpreis-Auswertung auf das Konto der Zeit ein. Dafür hat der journalist 245 Auszeichnungen geprüft, 171 davon sind schließlich in die Auswertung eingegangen – jeweils die ersten Preise, gegebenenfalls in verschiedenen Kategorien. In 74 Fällen waren die Gewinner*innen nicht ermittelbar, oder der Preis ist im vergangenen Jahr nicht vergeben worden.

2022 liegt ein öffentlich-rechtlicher Sender ganz vorne: der Norddeutsche Rundfunk mit 24 Preisen. „Es freut mich außerordentlich, wenn hochrangige Jurys die Arbeit von NDR-Journalistinnen und -Journalisten auszeichnen; und dann auch noch in diesem Umfang“, sagt NDR-Intendant Joachim Knuth. „Das ist ein Gradmesser für journalistische Qualität.“ Er ziehe den Hut vor den Kolleginnen und Kollegen, die „oft über sehr lange Zeit Geschichten gegen Widerstände recherchieren und dann ihr Wissen und ihre Erkenntnisse gekonnt komponieren. “

„Es freut mich außer­ordentlich, wenn hochrangige Jurys die Arbeit von NDR-Journalist­innen und -Journalisten auszeichnen; und dann auch noch in diesem Umfang.“ Joachim Knuth, NDR-Intendant

Unter den Gewinner-Beiträgen des NDR finden sich viele Fernsehbeiträge wie der Film Slahi und seine Folterer (Stern-Preis), der Panorama-Beitrag „Kindesmissbrauch: Warum löscht die Polizei die Bilder nicht?“ (Otto-Brenner-Preis) und eine Folge der Ernährungs-Docs (DDG Medienpreis). Auch mit Podcasts hat der NDR 2022 Preise abgeräumt, darunter Zeitkapsel: Irene, wie hast du den Holocaust überlebt? (Deutscher Reporter:innenpreis), Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen? (Deutscher Podcast-Preis, Grimme-Online-Award), die Deutschland3000-Folge „Matthias Maurer, was vermisst du gerade im All?“ (Medienpreis Luft- und Raumfahrt) und Winterkorn und seine Ingenieure (Willi-Bleicher-Preis, Kurt-Magnus-Preis).

Die Vorjahressiegerin Süddeutsche Zeitung und das ihr zugehörige SZ Magazin sind ebenso wie Zeit und und Zeit-Magazin und der Bayerische Rundfunk knapp am Siegertreppchen vorbei geschrammt: Sie landeten mit je 20 Preisen auf Platz vier – hinter dem WDR mit 23 und dem SWR mit 21 Preisen.

Auch im vergangenen Jahr waren die Top Ten hinter SZ und Zeit vor allem von öffentlich-rechtlichen Sendern belegt: ZDF, Deutschlandradio, SWR, RBB und Arte, dazu kamen die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Geo. Neu in den Top Ten ist der Spiegel. „Im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich eine gewisse Konstanz“, sagt journalist-Chefredakteur Matthias Daniel. „Gerade für die Öffentlich-Rechtlichen ist es eine Auszeichnung, dass sie mit starken Recherchen zahlreiche Journalistenpreise erhalten haben.“

Die Bandbreite der Preisstifter ist groß. Es gibt den Robert-Geisendörfer-Preis der Evangelischen Kirche, den BVKJ-Medienpreis des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte und den Medienpreis Parlament des Deutschen Bundestags. Einige Preise werden von der Branche selbst vergeben, zum Beispiel der Bremer Medienpreis von Radio Bremen, der Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus oder der Erich-Klabunde-Preis vom DJV Nord. Als besonders prestigeträchtig gelten der Theodor-Wolff-Preis vom Verlegerverband BDZV und der Stern-Preis von Gruner + Jahr mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis in der Kategorie Reportage.

NDR-Investigativ-Redakteur John Goetz hat für den Dokumentarfilm Slahi und seine Folterer mit einem Team von ARD, strg_F und arte.de neben einem Emmy auch den Stern-Preis bekommen – und wollte erst gar nicht zur Preisverleihung gehen. Zusammen mit dem strg_F-Team hatte er im Frühjahr vergangenen Jahres antisemitische Propaganda-Flugblätter ausfindig gemacht, die während der Zeit des späteren Gruner+Jahr-Verlegers Henri Nannen bei der SS-Propagandaeinheit Südstern entstanden sind. Die darauffolgende Debatte führte dazu, dass der Nannen-Preis kurz vor der Verleihung in Stern-Preis umbenannt wurde.

Goetz nahm seinen Preis dann doch entgegen. Aber eigentlich habe er eine kritische Haltung gegenüber Journalistenpreisen, sagt er: „Ich finde, Preise spiegeln eine Branche wider, die sich nach staatlicher und gesellschaftlicher Anerkennung sehnt. Das ist traurig.“ Es sei allerdings etwas anderes, wenn man Berufseinsteiger ist, sagt Goetz. „Wenn man jünger ist, verschaffen Preise einem Anerkennung in den Redaktionen. Auch freien Mitarbeitern helfen solche Credentials, Aufträge zu bekommen.“

Nachwuchspreise

Tatsächlich gibt es viele Nachwuchspreise unter den Journalistenpreisen. Einen davon, den Kurt-Magnus-Preis der ARD für den Hörfunk-Nachwuchs, hat Jennifer Johnston mit ihrem Podcast Winterkorn und seine Ingenieure gewonnen, außerdem noch den Willi-Bleicher-Preis der IG Metall Baden-Württemberg. „Früher habe ich immer von Journalisten gelesen, die Preise gewonnen haben“, sagt Johnston, die mehr als ein halbes Jahr für das NDR-Investigativressort an dem Podcast gearbeitet hat. „Ich hätte nie gedacht, dass ich auch mal welche gewinnen würde.“ Der Preis sei nicht nur eine tolle Anerkennung für das ganze Team, sondern helfe auch dabei, sichtbar zu sein und Aufmerksamkeit auf den Podcast zu lenken. Johnston arbeitet inzwischen als Korrespondentin im ARD-Studio Singapur.

Lea Hellbach hat im vergangenen Jahr den Hessischen Preis für junge Journalisten gewonnen, den der Verband Hessischer Zeitungsverleger vergibt. Für den Theodor-Wolff-Preis war ihre Multimedia-Story „Dissoziative Identitätsstörung: Die WG im eigenen Kopf“ ebenfalls nominiert. Der Beitrag ist während ihres Volontariats beim Wiesbadener Kurier entstanden. Sie sagt: „Ich sehe den Preis und die Nominierung als Wertschätzung meiner Arbeit.“ Inzwischen ist Hellbach bei der VRM stellvertretende Desk-Leitung des Print-Hubs Westhessen.

„So ein Preis zeigt freien Journalisten, dass sich lange, investigative Recherchen lohnen – und den Redaktionen, dass es sich lohnt, in Freie zu investieren.“ Maria Christoph, ausgezeichnet für den Zeit-Beitrag „Gruß aus der Küche“

„Als junge Journalistin ist es schön, so gesehen zu werden“, findet auch Janne Knödler. Sie hatte Anfang 2021 ihre Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule pausiert, um zusammen mit drei Mitschülern ein Projekt für den BR umzusetzen, das sie zuvor gepitcht hatten: Die Kim Dotcom Story, die erste Staffel des Podcasts Wild Wild Web. Dafür haben sie im vergangenen Jahr den Deutschen Podcast-Preis und den Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus bekommen. „Natürlich freut mich das, und ich denke schon, dass es besonders am Anfang der Laufbahn etwas bringen kann“, sagt Knödler. Nach Abschluss der Deutschen Journalistenschule hat Knödler zunächst als Wirtschaftsredakteurin beim Spiegel gearbeitet, seit Ende letzten Jahres produziert sie als feste Freie Podcasts für den Bayerischen Rundfunk. „Ich will diesen Schwung, der in dem Format steckt, noch mitnehmen“, sagt sie. „Es ist krass, dass man in der Ausbildung einen Podcast machen kann, der schon so gesehen wird.“

Maria Christoph ist jetzt Investigativreporterin bei Papertrail Media, dem Start-up der früheren SZ-Investigativjournalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer. Dass ihre damalige Arbeit als freie Journalistin ausgezeichnet wurde, bezeichnet sie als „gutes Statement“. „So ein Preis zeigt freien Journalisten und Journalistinnen, dass sich lange, investigative Recherchen lohnen, – und den Redaktionen, dass es sich lohnt, auch bei größeren Projekten in Freie zu investieren. Vielleicht vertrauen sie das nächste Projekt dann wieder Freien an.“

Die Platzierungen:

1 – NDR

24 Preise 2022 hat der Norddeutsche Rundfunk die meisten Journalistenpreise gewonnen, darunter viele renommierte Auszeichnungen wie den Stern-Preis (ehemals Nannen-Preis), den Deutschen Reporter:innenpreis und zwei Grimme-Online-Awards. Gleich zweimal prämiert wurden die Podcasts Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen? sowie Winterkorn und seine Ingenieure. „Es freut mich außerordentlich, wenn hochrangige Jurys die Arbeit von NDR-Journalistinnen und -Journalisten auszeichnen; und dann auch noch in diesem Umfang“, sagt Intendant Joachim Knuth. „Das ist ein Gradmesser für journalistische Qualität.“

2 – WDR

23 Preise Der Westdeutsche Rundfunk ist mit 23 Preisen auf Platz zwei der Auswertung gelandet. Der Sender bekam unter anderem den Civis-Medienpreis, den Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftsjournalismus und den Kindernothilfe-Medienpreis. Den BVKJ-Medienpreis des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte gab es für den WDR in drei, den NRW-Sportjournalistenpreis sowie den Medienpreis Wirtschaft NRW in jeweils zwei Kategorien.

3 – SWR

21 Preise Auch der dritte Platz ist vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk belegt: Der Südwestrundfunk hat 2022 mehr als doppelt so viele Preise eingesammelt wie 2021 (da waren es zehn). Unter den Auszeichnungen: der Deutsche Radiopreis, der Civis-Medienpreis, der Medienpreis Mittelstand in zwei Kategorien und der Bremer Fernsehpreis sogar in drei Kategorien: Bester Beitrag vom Tag für den Tag, Sonderpreis und Publikumspreis.

4 – Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, BR

je 20 Preise Die Vorjahressiegerin Süddeutsche Zeitung und das ihr zugehörige SZ Magazin sind ebenso wie Zeit und Bayerischer Rundfunk knapp an den Top 3 vorbei geschrammt. Die SZ bekam unter anderem den Theodor-Wolff-Preis in der Kategorie Reportage, für den BR gab es den Deutschen Podcast-Preis.

5 – RBB, ZDF

je 15 Preise Den fünften Platz im Ranking teilen sich wieder zwei öffentlich-rechtliche Sender: Der RBB hat zwei Grimme-Online-Awards geholt, das ZDF den Robert-Geisendörfer-Preis.

6 – Arte

14 Preise Auch Arte ist in diesem Jahr wieder unter den besten zehn Redaktionen vertreten – mit doppelt so vielen Preisen wie im vergangenen Jahr. Darunter der deutsch-französische Journalistenpreis, der deutsch-polnische Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis und der Daphne-Caruana-Galizia-Preis.

7 – Der Spiegel

12 Preise Der Spiegel ist in diesem Jahr in die Top Ten aufgerückt. Unter den zwölf Preisen, die er bekommen hat, sind der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis, der Otto-Brenner-Preis, zwei Deutsche Journalistenpreise und drei Reporter:innenpreise. Für die „Hanau-Protokolle“ gab es den Egon-Erwin-Kisch-Preis.

8 – Deutschlandradio

10 Preise Die Programme des Deutschlandradios haben im vergangenen Jahr zusammen zehn Preise eingesammelt. Zum Beispiel den Kurt-Magnus-Preis, mit dem die ARD den Hörfunk-Nachwuchs fördern will, zwei RIAS-Medienpreise sowie zwei Civis-Audio-Awards.

9 – MDR, FAZ, Geo

je 6 Preise Der Mitteldeutsche Rundfunk hat 2022 so viele Preise bekommen, dass er in die Top Ten aufgerückt ist. Er liegt gleichauf mit Geo sowie Frankfurter Allgemeiner Zeitung und FAS.

10 – HR

5 Preise Auch der Hessische Rundfunk ist in die Top Ten aufgerückt. Für den HR gab es unter anderem den Bremer Fernsehpreis in der Kategorie Bestes crossmediales Projekt.

Datenauswertung:

Der journalist hat 245 Preise geprüft, 171 sind schließlich in die Journalistenpreis-Auswertung eingegangen. Bei 74 Preisen waren die Gewinner*innen nicht ermittelbar, der Preis war nicht auffindbar oder ist 2022 nicht vergeben worden. In die Wertung kamen jeweils die ersten Plätze.

Frederik Holtkamp ist freier Redakteur in Köln. Kathi Preppner arbeitet als Medienjournalistin in Berlin. 

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