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"Die Dimension der Krise ist gewaltig"

"Ich habe mal angefangen, weil ich erzählen wollte, wie schön die Welt ist. Und inzwischen fühle ich mich wie ein Kriegsberichterstatter", sagt Terra-X-Moderator Dirk Steffens. (Bild: ZDF/Johanna Brinckman)

Dirk Steffens ist einer der bekanntesten Wissenschaftsjournalisten Deutschlands. Im journalist-Interview erzählt der Moderator der ZDF-Sendereihe Terra X, wie Klimaleugner mit richtigen Zahlen lügen, warum wir nicht vom Klimawandel sprechen sollten, und wieso er sich darüber ärgert, wenn er als Umweltaktivist bezeichnet wird. Interview von Catalina Schröder

31.08.2020

journalist: Herr Steffens, Sie beschäftigen sich seit 30 Jahren mit Themen wie der Klimakrise und dem Artenschutz. Da gibt es inzwischen wenig Gutes zu berichten. Macht Ihr Job noch Spaß?

Dirk Steffens: Ich habe mal angefangen, weil ich erzählen wollte, wie schön die Welt ist. Und inzwischen fühle ich mich wie ein Kriegsberichterstatter. Ich stehe oft vor Trümmern und berichte darüber, was warum kaputtgegangen ist. So habe ich mir den Job früher nicht vorgestellt. So war der auch nicht. Die Dimension der Krise ist so gewaltig, dass man das Problem gar nicht mehr vermittelt bekommt. Die Corona-Krise ist wahrscheinlich klein im Vergleich zu Krisen wie Artensterben, Klimawandel und all den anderen Ökoproblemen. Ich subsumiere das immer unter dem Begriff Ökokrise. Jedes Jahr – das sind Zahlen der Weltgesundheitsorganisation und der Nasa – sterben bis zu neun Millionen Menschen an den Folgen der Umweltverschmutzung. Und haben Sie irgendwelche Krisenmaßnahmen gesehen? Haben Sie nationale Rettungspakete gesehen? Haben Sie gesehen, dass die Regierung auch nur ansatzweise so entschlossen dagegen vorgeht wie gegen das Coronavirus? Nein. Wenn man als Wissenschaftsjournalist ständig aus dieser Welt berichtet und feststellt, dass es überhaupt keine angemessenen Reaktionen gibt, dann kann das schon ziemlich frustrierend sein.

Sie haben mal gesagt, dass Wissenschaftsjournalismus kompliziert ist, weil man mit richtigen Zahlen verdammt gut lügen kann. Wie ist das gemeint?

Das kann man sehr konkret bei der AfD sehen. Die haben ein Grundsatzprogramm, auch zur Umweltpolitik. Und da beziehen sie sich auf die Klimakrise und sagen: Wenn man CO2 in der Atmosphäre anreichert, dann fördert das das Pflanzenwachstum. Das ist auch richtig. Die AfD hat bis vor einiger Zeit auch immer mit Statistiken gearbeitet, in denen Sie sehen, dass die Temperatur ein paar Jahre nicht enorm gestiegen ist. Die Temperatur steigt so an (Steffens zeigt mit der Hand eine schräg nach oben verlaufende Gerade). Und dann nehmen Sie sich das kleine Stück raus, in dem der Anstieg mal nicht so deutlich ist. Dann können Sie wahrheitsgemäß sagen: Von Jahr a bis Jahr b ist die Temperatur quasi gar nicht gestiegen, was soll die ganze Panikmache? Die Zahlen, die dann verwendet werden, sind korrekt. Genauso wie die Aussage korrekt ist, dass Pflanzen – wenn man ihnen mehr CO2 zuführt – erstmal besser wachsen. Tatsächlich ist die Erde grüner geworden durch den Klimawandel. Das kann man mit Satellitenbildern beweisen, weil eine höhere Konzentration von Kohlenstoffdioxyd in der Atmosphäre das Pflanzenwachstum fördert. Aber dann daraus zu schlussfolgern, dass der Klimawandel kein Problem oder sogar eine gute Sache sei, ist natürlich total bescheuert. Denn es gibt nur einen Korridor, innerhalb dessen Dinge besser werden. Aber unterhalb dieses Korridors und oberhalb ist es dann ganz viel schlechter. Also nach grün kommt braun, um es mal ganz extrem zu sagen. Wenn man also nur einen Ausschnitt der Wahrheit betrachtet, kann man mit diesem Teil genau das Gegenteil der Wahrheit beweisen – also lügen. Zusammenhänge sind im Wissenschaftsjournalismus das Entscheidende – und die fehlen hier. Wir haben ganz lange den Fehler gemacht, zum Beispiel bei der Klimakrise, dass wir mit Klimaleugnern gesprochen, sie ernst genommen haben und versucht haben, sie von der Wahrheit zu überzeugen.

Der Guardian hat für seine Journalisten die Regel aufgestellt, dass sie Klimaleugnern kein Forum mehr in der Zeitung geben sollen. Finden Sie das richtig?

Auf jeden Fall! Ich sage das innerhalb meines ZDF-Kollegiums auch immer mal wieder, und im Prinzip sind alle in der Wissenschaftsredaktion inzwischen auch meiner Meinung: Wir dürfen unsere Zeit nicht mit Vollidioten verschwenden.

Journalisten haben ja oft den Hang zur Pro-Contra-Berichterstattung.

Großer Fehler! Es gibt Zehntausende Studien weltweit aus allen politischen Systemen, die belegen, dass der Mensch für den aktuellen Klimawandel mitverantwortlich ist. Es gibt ein paar Dutzend, die diesen Zusammenhang nicht beweisen konnten. Wenn Sie jetzt aber in einer Talkshow sind und Sie können mehrere Dutzend Studien zitieren, die diesen Zusammenhang nicht beweisen können, dann hört sich das so an, als gäbe es tatsächlich eine zweite wissenschaftliche Meinung. Tatsächlich ist das aber nicht so. Denn wenn das Verhältnis der Studien 10.000 : 1 ist, dann ist das Herumreiten auf dieser einen Studie unseriöser Journalismus, weil er eben nicht erkannt hat, dass hier eine Mindermeinung zu Wort kommt, die so absurd ist, dass man sie nicht berücksichtigen darf. Da muss man den Anspruch an den Journalismus stellen, auch mal zu evaluieren.

Beim Guardian gibt es auch die Regel, dass nicht mehr über den Climate Change, also den Klimawandel, geschrieben werden darf. Stattdessen sollen die Journalisten die Begriffe Climate Emergency, Climate Crisis oder Climate Breakdown verwenden. Was sagen Sie dazu?

Ich benutze selber meistens das Wort Klimakrise. Das hängt damit zusammen, dass man über das Wort natürlich eine bestimmte Richtung vorgibt. Das Wort Klimawandel kommt nicht aus der Umweltbewegung, sondern aus der Klimawandel-Leugnungsecke. Ein Wandel ist ja was Schönes. Eine Erwärmung ist eigentlich auch was Gutes. Und wenn Sie von einer zivilisationsgefährdenden Gefahr sprechen, dann sollte man nicht mit Euphemismen arbeiten, sondern man muss eine Katastrophe Katastrophe nennen. Und deshalb kann ich das gut verstehen und finde es richtig, dass wir immer mehr von der Klimakrise oder -katastrophe reden.

Aber wird das in den deutschen Medien tatsächlich so konsequent gemacht?

Nein, das wird nicht konsequent gemacht. Es ist wahrscheinlich ein wenig bewusster Umgang mit Sprache, wenn man immer Klimawandel sagt, aber das ist ein so feststehender Begriff, dass viele den ja gar nicht mehr hinterfragen.

Wer macht guten Wissenschaftsjournalismus?

Wissenschaftsjournalismus hat mehrere Ebenen: Es gibt den wissenschaftlichen Wissenschaftsjournalismus. Darunter fallen Fachmagazine wie Spektrum der Wissenschaft oder Nature im englischsprachigen Raum. Darunter gibt es dann die Ebene, wo zum Beispiel Terra X angesiedelt ist und wo man sagt: Wir nehmen die Erkenntnisse der Wissenschaftler, aber wir versuchen sie so zu vermitteln, dass das gesamte Publikum sie verstehen kann. Und dann gibt es noch die Ebene, wo man die simpelsten Zusammenhänge erklären muss. Guten Wissenschaftsjournalismus im Fernsehen machen ARD und ZDF. Gibt es in den privaten Sendern überhaupt Wissenschaftsjournalismus?

Galileo auf ProSieben zum Beispiel.

Stimmt. Galileo ist deshalb gut, weil es Grundinteresse wecken kann. Und da finde ich Galileo echt super, weil man die Themen an Zielgruppen herantragen kann, die Terra X schon zu anstrengend finden und die auf gar keinen Fall die Zeit lesen würden. Und bei den Print-Leuten? Ich lese immer gerne den Wissenschaftsteil der Zeit, weil der Erkenntnisse gut einordnet.

Berichten deutsche Medien ausreichend über die Ökokrise?
(zögert) Ich war jetzt spontan dran zu sagen: natürlich nicht! Aber ich würde ein bisschen differenzierter jein sagen. Wenn ich heute eine Tageszeitung aufschlage und überlege, welche der Themen etwas mit Wissenschaft und Umwelt zu tun haben: Corona – eine Pandemie – ist ein Umweltthema. In den vergangenen Jahrzehnten nehmen Pandemien stark zu, weil sie eine Folge von Umweltzerstörung sind. Die wahrscheinlichen Übertragungsorte sind ja zum Beispiel das Ende einer Regenwaldpiste, wo Wilderer unterwegs sind und Fledermäuse essen. Massentierhaltung ist ein anderer möglicher Übertragungsort. Wenn ich das Thema Ökokrise so auslege, ist jeder Bericht, der heute über Corona in der Zeitung steht, ein Bericht mit wissenschaftlichem Hintergrund. Das Problem ist, dass die Gewichtung oft nicht der Gewichtung entspricht, wie sie vielleicht die Wissenschaft selbst anlegen würde. Also wir reden zum Beispiel über die Klimakrise so sehr, dass wir das Gefühl haben: Wenn wir die in den Griff kriegen, dann ist umweltmäßig erstmal alles wieder okay. Das ist grundfalsch. Die Klimakrise ist nur ein Mosaikstein in der größeren Ökokrise, zu der insbesondere auch das Artensterben gehört. Ich will die nicht trennen, die sind miteinander verzahnt: Wenn sich das Klima verändert, sterben mehr Arten. Wenn mehr Arten sterben, verändert sich das Klima. Aber das wird nicht vermittelt. Wir tun so, als sei die Klimakrise das größte Problem. Das ist grundfalsch.

"Ich ärgere mich ein bisschen, weil ich in Talkshows immer als Journalist und Umweltaktivist vorgestellt werde. Das ist totaler Quatsch. Das ist ungefähr so, als wenn Sie eine Politikjournalistin als Demokratieaktivistin ankündigen."

Das Artensterben ist das noch viel größere Problem?

Ja, wobei ich das nicht als Ranking verstanden wissen möchte. Es geht hier nicht um eine Hitliste der Katastrophen, sondern das ist alles eine Ökokrise. Aber zu dem folgenden Satz würde ich stehen: Wenn alle Gletscher und die Polkappen, wenn alles Eis auf dieser Erde schmilzt, kann es hier immer noch eine menschliche Zivilisation geben. Wir erleben gerade das sechste Massenaussterben in der Geschichte der Erde. Das fünfte war das mit den Dinos und den Meteoriten. Aber wenn das sechste voll zuschlägt, dann wird kein einziger Mensch überleben. Das ist ein Unterschied. Und das kann man in dem Satz zusammenfassen, dass die Klimakrise die Art bedroht, wie wir leben. Aber das Artensterben definiert, ob wir leben.

Warum wird über das Artensterben so wenig berichtet?

Es gibt immer noch das große Missverständnis: „Ach, der arme Eisbär stirbt aus. Das ist aber schade.“ Also wir denken beim Artensterben an einzelne Arten. Man muss dazu den kalten und harten Satz sagen: Wenn die Eisbären heute aussterben und ich Sie morgen frage, ob sich Ihr Leben verändert hat, dann ist die Antwort: nein. Also ist es egal für uns, ob es Eisbären gibt oder nicht. Wir essen die nicht, wir brauchen nicht deren Fell, um uns zu wärmen – die sind für uns einfach nicht wichtig. Und Artensterben wird deshalb verwechselt mit der Sorge von Tierliebhabern um einzelne Arten. Was wir aber gerade erleben, ist, dass geschätzt bis zu 150 Tierarten am Tag aussterben. Die natürliche Aussterberate, die es gibt, ist momentan – je nach Statistik – um das 100- bis 1.000-fache erhöht. Und das heißt, dass aus dem Netz des Lebens jeden Tag 150 Fäden rausgezogen werden. Und dieses Netz stellt uns die Luft zum Atmen, unser Trinkwasser und unsere Nahrung, also die Lebensgrundlagen. Wenn dieses Netz reißt, dann sind wir tot. Das muss man so direkt und klar sagen. Das Artensterben ist deshalb tatsächlich das größte Thema, das wir haben.

Warum lese ich das dann nicht täglich in der Zeitung?

Weil es noch nicht so direkt spürbar ist. Sie kriegen jetzt manchmal die ersten kleinen Wellen mit. Im vergangenen Jahr gab es die Insektenstudie der Krefelder Forscher zum Beispiel: Wir haben weniger Insekten auf der Windschutzscheibe. Dann gibt es mal eine kleine Welle, wenn der Nabu die Vögel zählt. Aber die Leute spüren den Nachteil noch nicht. Sie müssen sich mal vorstellen, dass in einer Hand Mutterboden mehr Lebewesen leben, als Menschen auf dem Planeten Erde. Wir brauchen die, denn wenn die nicht in dieser Erde drin wären, dann wäre Erde nur Staub. Staub, in dem kein Saatkorn aufgehen kann. Wenn das so weiter geht, dann wird man eines Tages in den Supermarkt gehen und da liegen dann keine Lebensmittel mehr.

Ist es nicht der Job von Wissenschaftsjournalisten, stärker darüber zu berichten?

Ja selbstverständlich, wozu sind wir denn sonst da?

Warum passiert das dann nicht?

Alle, die ich kenne, versuchen es. Aber es ist ja so, dass wir Wissenschaftsjournalisten nicht alleine sind. Wir sind in einer Redaktion und müssen uns über Platz in einer Zeitung, über Sendezeit in einem Fernsehprogramm oder Budgets für die Produktion von Programmen unterhalten. Und der Wissenschaftsjournalismus hat ja manchmal etwas Sperriges und Abschreckendes, weil er nicht so leicht und süffig daherkommt.

Haben Wissenschaftsjournalisten immer auch eine Mission, also beispielsweise die, stärker auf das Artensterben aufmerksam zu machen?

Nee, also ich hatte keine. Ich wollte ja nicht mal Wissenschaftsjournalist werden, sondern Naturfilmer. Ich habe als kleiner Junge noch die alten Grzimek-Filme gesehen. Sowas wollte ich machen. Aber wenn Sie dann drei Mal irgendwohin fahren und jedes Mal ist die Tierherde kleiner, das Korallenriff kaputter und das Wasser schmutziger, dann muss man sich ja als denkender Mensch irgendwann fragen: Was geht denn hier eigentlich vor?

Also haben Sie inzwischen doch eine Mission.

Ich werde das oft gefragt, und ich ärgere mich auch ein bisschen, weil ich in Talkshows immer als Journalist und Umweltaktivist vorgestellt werde. Das ist totaler Quatsch. Das ist ungefähr so, als wenn Sie eine Politikjournalistin als Demokratieaktivistin ankündigen. Was für ein Quatsch. Ich berichte über die Lebensgrundlagen der Menschen. Wenn Sie nicht atmen, essen und trinken können, spielen Freiheit, Demokratie, Wahlergebnisse und irgendwelche Intrigen im Kanzleramt überhaupt keine Rolle. Es ist das Wichtigste von allem. Darauf kann man sich, glaube ich, als verständiger Mensch einigen. Deshalb ist dieses Thema total relevant. Eine Politikjournalistin, die sagt: Natürlich bin ich für die Demokratie und Meinungsfreiheit, würde man ja auch nicht als Aktivistin bezeichnen, nur weil sie Diktaturen blöd findet. Aber ich habe es aufgegeben, dagegen vorzugehen. Ich bin jetzt halt der Umweltaktivist, obwohl es nicht stimmt.

Aber Sie haben eine Petition gestartet, um den Artenschutz ins Grundgesetz zu bringen.

Ja, aber auch die sagt nur, dass wir den Artenschutz ins Grundgesetz schreiben sollen. Sie sagt nicht, wie. Das ist ungefähr so, als würden Journalisten fordern – stellen Sie sich mal diese verrückte Forderung vor – Meinungsfreiheit und Pressefreiheit ins Grundgesetz zu schreiben. Was für abgedrehte Aktivisten! (lacht) Und es gibt tatsächlich Leute, die sagen, ich sei kein objektiver Journalist, weil ich solche Forderungen stelle. Ist jemand kein objektiver Journalist, weil er Pressefreiheit fordert? Und jemand, der über Umwelt berichtet, der muss doch auf das Fortbestehen einer lebensfähigen Umwelt dringen und mahnen. Bei der Petition sagen wir ja nicht, was die Politik machen soll. Wir sagen nur: Der Artenschutz als Ziel gehört ins Grundgesetz.

Warum genau ärgert es Sie denn, als Aktivist bezeichnet zu werden?

Weil das negativ belegt ist. Jemand, der Aktivist ist, dem wird das objektive Urteilsvermögen abgesprochen, weil Journalisten ja immer so tun, als würden sie über den Dingen stehen.

Sie haben mal gesagt: Ein Problem von Wissenschaftsjournalismus sei, dass man bei einer Geschichte immer von einem Problem ins nächste torkelt und am Ende vom Weltuntergang redet. Kann man das irgendwie ändern?

Natürlich kann man darüber reden: Was macht es, wenn man so und so viel CO2 in eine Atmosphäre reinpustet? Das kann man erstmal alles erklären. Aber dann stellt man fest: Okay, was ist, wenn es wärmer wird auf der Erde? Dann schmelzen die Gletscher. Wenn die Gletscher schmelzen, dann wird weniger Sonnenlicht reflektiert, das heißt: Es wird dann noch wärmer. Und wenn es dann noch wärmer wird, dann schmelzen die Permafrost-Böden und da ist so viel Methangas drin. Methangas ist noch viel schlimmer als das Treibhausgas CO2, und das geht dann in die Atmosphäre. Das heißt, dann wird alles noch, noch schlimmer. Und so ist Wissenschaftsjournalismus. Das alles ist wahr, nur wenn man jedes Mal die ganze Geschichte erzählt, dann fühlt man sich wirklich als Kassandra. Und dann greift natürlich auch einfach die menschliche Psyche, und man kann das nicht mehr hören. Diese ökokalyptischen Untergangsgesänge sind wirklich unerträglich.

"Wenn Sie drei Mal irgendwohin fahren und jedes Mal ist die Tierherde kleiner, das Korallenriff kaputter und das Wasser schmutziger, dann muss man sich ja als denkender Mensch irgendwann fragen: Was geht denn hier eigentlich vor?"

Könnte man es nicht auch anders machen? Es gibt schließlich auch Ideen, wie sich Umweltprobleme lösen lassen. Könnte man in das Thema nicht auch eine positive Stimmung reinbringen, indem man sagt: Passt mal auf, damit wir CO2 reduzieren, produzieren wir in Deutschland nur noch wahnsinnig umweltfreundliche E-Autos.

Ja, das wäre der große Wendepunkt. Umweltschutz ist bisher eine Katastrophenerzählung. Und was wir brauchen, ist ein positives Narrativ. Wir müssen verstehen, dass Umweltschutz nichts kostet, sondern uns ganz viel einbringt. Wir müssen verstehen, dass Umweltschutz nicht Verzicht bedeutet, sondern dass wir durch Umweltschutz ganz viel gewinnen. Jetzt in der Corona-Krise schnüren wir gerade die größten Konjunkturpakete in der Geschichte der Menschheit. Jetzt stellen Sie sich mal vor, diese Milliarden würden an Bedingungen geknüpft. Stellen wir uns mal vor, die Politik sagt der Autoindustrie: Ihr kriegt so viel Geld, wie ihr braucht, um die modernsten und umweltfreundlichsten Autos der Welt zu entwickeln. Was wäre dann das Resultat? Dass die deutschen Autohersteller auch in zehn Jahren noch Weltmarktführer wären.

Findet das positive Narrativ, von dem Sie jetzt sprechen, im Wissenschaftsjournalismus ausreichend statt?

Nein, denn Sie kennen ja den alten Spruch: „Bad news are good news and good news are no news.” Das gilt leider auch für den Wissenschaftsjournalismus.

Durch Corona ist das Thema Klimakrise aus den Medien verschwunden. Macht Ihnen das Sorgen?

Wenn man es ganz seriös beurteilt, kann man es noch nicht sagen. Es war jetzt zumindest mal einige Wochen vollständig überdeckt. Jedenfalls wenn man Aufmerksamkeit in Medienberichten bemisst. Aber Sie sehen auch, dass die Umweltdiskussion durchaus wieder präsent ist, wenn es um das Verteilen der Gelder an die Industrie beispielsweise geht. Das Thema ist ja auch zu groß, um zu verschwinden. Die Themen Ökologie und Artensterben werden uns in Zukunft sogar viel häufiger belästigen, weil sie unvermeidlich sind. Man kann sie vielleicht mal eine Weile vertagen, aber dann kommen sie danach noch schlimmer zurück.

Ist Terra X trotz Ökokrise für Sie immer noch ein Traumjob?

Ja, das ist der beste Job, den man in diesem Bereich in Deutschland haben kann. Möglicherweise ist es sogar der beste Job der Welt, weil wir ja im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind. Okay, zugegeben: Die BBC hat auch ein paar schöne Sachen. Aber wenn ich eine Rangliste machen würde, käme erst die BBC, dann das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen, und wenn man sich dann auf der Welt umguckt, wird es schon echt dünn.

Catalina Schröder arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Hamburg.

Zur Person

Dirk Steffens (52) arbeitete nach seiner Ausbildung an der Kölner Journalistenschule ab 1994 als Politik- und Nachrichtenredakteur beim Deutschlandfunk in Köln. Seither war er als freier Moderator und Dokumentarfilmer tätig. Seit 2008 ist er für die ZDF-Dokumentationsreihe Terra X – Faszination Erde unterwegs und seit 2011 moderiert er weitere Terra X-Formate. Steffens wurde unter anderem mit der Goldenen Kamera sowie mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.

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