"Der Südozean und die Antarktis sind Lunge und Herz der Erde"

Wäre Antje Boetius Chefredakteurin, würde sie Datenjournalismus und Fotoreportagen fördern. (Foto: Tim Brüning)

Antje Boetius ist eine der bekanntesten Meeresforscherinnen in Deutschland. Im journalist-Interview spricht sie über die Rolle der Meere für die Erde, teilt ihren Blick auf den Klimajournalismus – und erklärt, warum Berichte über Seegurken manchmal besser sind als über schmelzendes Eis. Interview: Catalina Schröder, Fotos: Tim Brüning

02.09.2024

„Wir können selbst steuern, wohin es geht“, sagt Deutschlands bekannteste Meeresbiologin Antje Boetius. Grund zu verzagen, gebe es nicht. Es gehe heute darum, die „großen Schrauben“ des Weltklimas zu drehen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Ozeane und die Antarktis.

journalist: Frau Boetius, Sie sind Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven und als Deutschlands wohl bekannteste Meeresbiologin ein gern gesehener Gast in Fernsehsendungen – von der NDR-Talkshow bis zur Tagesschau. Woran arbeiten Sie gerade?

Antje Boetius: Ich arbeite daran, dass wir in Deutschland einen großen Beitrag zur UN-Ozeandekade leisten können, die bis 2030 läuft. Und ich verfolge die Idee, mit vielen internationalen Partnerinnen und Partnern die Kapazität der Wissenschaft für Beobachtungen im Südozean – also um die Antarktis herum – so zu verstärken, dass wir dort erstmals ein Gesamtbild vom Geschehen bekommen.

Warum gibt es das noch nicht?

Weil die Antarktis ein riesiger Kontinent ist, umgeben vom stürmischen Südozean. Es gibt dort wenig Infrastruktur, sodass es bisher nicht möglich war, dort systematisch zu forschen.

Wie muss ich mir Ihr Projekt genau vorstellen – Wollen Sie ein Schiff in die Antarktis schicken?

Nicht nur eins. Es geht um ein neues Level an Kooperation. Die Antarktis ist mit einem Vertrag geschützt, den viele Länder unterzeichnet haben. Damit sind sie verantwortlich für friedliche Forschung und die Pflege der Natur. Alle haben dort Infrastruktur: Schiffe, Flugzeuge, Forschungsstationen, Bojen. Jetzt arbeiten wir daran, all das so zu koordinieren, dass die Forschung rund um die Antarktis abgestimmte Beobachtungen machen kann. Dafür wollen wir die Länder mit ins Boot holen – mehr als 20 haben schon zugesagt. Hinzu kommen weitere Partner, beispielsweise die Gemeinschaft von Seglern, der deutsche Segler Boris Herrmann. An Bord ist auch die European Space Agency. Sie wird uns mit hochauflösenden Aufnahmen aus dem All unterstützen und mit Trainings für die Datenverarbeitung. Unser Ziel ist, endlich zu erfahren: Wie schnell verändert sich die Antarktis in den Komponenten Eis, Ozean, Atmosphäre und Lebensvielfalt?

Warum ist es wichtig, das zu wissen?

Dieser Teil der Erde ist riesig und wichtig für globale Prozesse. Der Südozean alleine nimmt die Hälfte der Erderwärmung auf und außerdem sehr viel CO2. Er unterstützt eine unfassbare Artenvielfalt, die wir bisher kaum kennen. Die Antarktis trägt den größten Anteil gefrorenen Wassers in Form von Eismassen. Man könnte sagen, dass der Südozean und die Antarktis Lunge und Herz der Erde sind. Wir wollen mit unserem internationalen Projekt herausfinden, wie seine Leistung in der Vergangenheit war und wie sie sich gerade verändert.

Was machen wir dann mit diesem Wissen?

Wenn wir Veränderungen dokumentieren, können wir sie mit in die Frage einrechnen: Wie wird die Zukunft unseres komplexen Systems Erde aussehen? Wie verändert sich die Lebensvielfalt im Südozean? Welchen Einfluss hat das Geschehen auf den Meeresspiegel und die anderen Ozeane? Wie prägt es unser Leben an Land? Welche Chancen haben wir, uns durch mehr Ozean-, Meeres- und Klimaschutz vor Krisen zu bewahren? Und wie nahe sind wir an Schwellenwerten, die zu starken Veränderungen führen und sich nicht rückgängig machen lassen? Solche Forschung braucht Präsenz im Meer, und sie braucht Daten.

„Ich bin besorgt um uns Menschen. Wir tragen gerade massiv dazu bei, die Lebensbedingungen auf diesem Planeten zu verändern.“

Apropos Daten: Rund 70 Prozent der Erde sind mit Wasser bedeckt, das im Schnitt rund vier Kilometer tief ist. Wie gut kennen wir unseren Planeten heute – und wie erfahren wir, was dort unten vor sich geht?

Wir müssen noch sehr viele Rätsel lösen. Anders als beim Mond oder Mars können wir aufgrund des Wassers die Oberfläche unserer Erde nicht direkt vermessen. Das Wasser ist zwar wichtig, nur deswegen gibt es hier Leben. Aber es bereitet uns auch Schwierigkeiten, weil wir nicht in die Tiefe des Ozeans schauen können. Dadurch finden wir vieles nicht raus, das wir wissen müssten, um weiterzukommen. Zum Beispiel: Wie viel CO2 kann der Ozean noch speichern und was wird daraus? Welches Leben gibt es unter Wasser? Wie bedroht sind die globalen Küstenregionen, wenn die Eisschmelze immer schneller wird und der Meeresspiegel steigt?

All das sind im Grunde Fragen von Leben und Tod.

Absolut. Ein Drittel aller Menschen auf der Erde lebt nah an einer Küste. Es geht um Fragen wie Stadtentwicklung, Deichschutz, Gebäudeversicherung, Katastrophentraining.

Das heißt, wir kennen unseren Planeten nicht so gut, wie einige vielleicht denken.

Genau, der größte Teil der Erde ist uns unbekannt. Unser Heimatplanet und seine Geschichte bleiben rätselhaft, und wir kennen vermutlich nur zehn Prozent seiner Lebensvielfalt.

Was heißt das für Sie als Wissenschaftlerin?

Es bedeutet, dass wir uns dringend weiter mit unserem Planeten und anderen Himmelskörpern beschäftigen müssen. Welche Möglichkeiten gibt es für das Leben zu entstehen und wie verschwindet es wieder? Wie gelingt Überleben? Wir haben eine so unfassbare Vielfalt an Lebewesen, dass wir nicht alle auf dem Zettel haben. Welche biologischen Tricks können wir von ihnen lernen?

„Ziel des Projekts ist es, endlich zu erfahren, wie schnell sich die Antarktis in all ihren Komponenten verändert: Eis, Ozean, Atmosphäre und ihre Lebensvielfalt.“

Wie besorgt sind Sie um den Zustand der Erde?

Die Erde dreht sich weiter, wenn es uns nicht mehr gibt. Ich bin besorgt um uns Menschen. Wir tragen gerade massiv dazu bei, die Lebensbedingungen zu verändern. Wir haben große Schwierigkeiten, dieses Risiko anzuerkennen und zu verringern und damit für unsere Nachkommen einen einigermaßen vorhersagbaren, lebensfreundlichen Planeten zu hinterlassen. Einen, der uns nicht so stresst, weil ständig irgendeine Katastrophe kommt und Leid erzeugt. Die Vorhersage des Weltklimarates lautet aktuell: Die Erwärmung der Erde stellt für alle Menschen, egal wo sie wohnen, aufgrund von Wechselwirkungen ein immer höheres Risiko dar.

Haben Sie das Gefühl, dass diese Botschaft bei den Menschen angekommen ist?

Auf jeden Fall. Die Bedrohungsszenarien ermüden so manchen. Aber es kommt zu wenig bei den Leuten an, dass wir selbst die Chance haben zu steuern, wohin es geht. Damit meine ich jetzt nicht die kleinen Schrauben, wie das individuelle Verhalten im Alltag bei Essen, Kleidung, Wohnen und Mobilität. Ich meine damit das Steuern unserer planetaren Kreisläufe.

Was genau verstehen Sie darunter?

Die Hauptstellschraube, um den Kreislauf von Kohlenstoff und Stickstoff zu managen, ist der Ausstieg aus hochsubventionierten fossilen Brennstoffen und der schnellere Einstieg in regenerative Energien. Da fehlt es an Lösungswissen. Das wiederum versteckt sich in neuen Technologien, aber auch in sozioökonomischen Bedingungen. So können wir das Zusammenspiel von Mensch, Technik und Natur auf allen Ebenen der Zusammenarbeit fruchtbarer organisieren. Diese Möglichkeiten sind viel weniger bekannt als die Liste der Gefahren.

Was kann ich als einzelne Bürgerin, als einzelner Bürger unternehmen?

Ich kann mich dafür interessieren, wer mir welche Zukunftsperspektive bietet. Ich kann hinterfragen, warum es teuer und unbequem ist, sich für Klima- und Naturschutz zu entscheiden. Die Stimme der Bürgerinnen und Bürger und damit die Politik ihrer Länder ist entscheidend für die Zukunft. Wir vergessen oft, dass wir Abgeordnete in Kommunen und Länderparlamenten, im Bundestag und Europaparlament haben, die wir nicht nur wählen, sondern auch erreichen können, damit sie unsere Sorgen und Hoffnungen hören.

„Ein Drittel aller Menschen auf der Erde lebt nah an der Küste. Es geht also um Fragen von Deichschutz, Stadtentwicklung, Gebäudeversicherung, Katastrophentraining.“

Welche Rolle hat die Medienberichterstattung in dieser Debatte?

Die Medien gibt es ja so wenig wie die Politik und die Wissenschaft. Es gibt bei den Medien immer die ganze Bandbreite. Diejenigen, die ihr Geschäftsmodell darauf begründen, Konflikte zu beschwören, Fakten zu unterdrücken und steile Thesen aufzustellen. Und dann gibt es solche, die ihren demokratischen Auftrag wahrnehmen, die recherchieren, nachforschen, aufdecken. Die versuchen, Menschen Wissen an die Hand zu geben, um selbstständig entscheiden zu können. Ich beobachte in letzter Zeit in vielen Nachrichtenmedien, dass die Redaktionen aufpassen und abwägen, damit nicht eine Katastrophe nach der anderen auf die Leute niederregnet. Sie müssen natürlich über Katastrophen berichten, das gehört zum Alltagsgeschäft. Aber damit kein Gefühl von Überforderung und Hilflosigkeit entsteht, sollte es öfter um Chancen gehen. Um Menschen, die etwas bewirken. Ein Beispiel ist die Berichterstattung über die Jahrhundertflut im Ahrtal – es ging nicht nur um die Zerstörung, sondern auch darum, was wir daraus lernen können. Die Medien haben einen wichtigen Auftrag und wir als Wissenschaftler können sie dabei unterstützen.

Wie machen Sie das konkret?

Wir arbeiten mit einer Vielzahl von Medien zusammen, teilen umgehend Daten und Erkenntnisse aus Forschungsprozessen mit ihnen. Mit Informationsportalen geben wir Bürgerinnen und Bürgern Werkzeuge an die Hand. So können sie selbst schauen: Wie hoch ist das Risiko für Überschwemmungen in meinem Landkreis? Was sind die Faktoren, die meine Umwelt am schnellsten verändern? Wie geht es anderen?

Redaktionen beschäftigen immer seltener festangestellte Wissenschaftsjournalisten. Viele von ihnen arbeiten heute selbstständig oder verlassen den Bereich. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Natürlich. Wer über Wissenschaft berichtet, muss bereit sein, ständig dazuzulernen – aber wie soll das gehen, wenn die Menschen nicht mehr Teil eines Unternehmens oder einer geschützten Institution sind? Es gab mal ein tolles, erprobtes Format namens Tauchgänge in die Wissenschaft, das die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina mit der Robert Bosch Stiftung aufgebaut hat. Redakteurinnen und Redakteure konnten im Rahmen des Programms bei Wissenschaftsorganisationen „abtauchen“ und wissenschaftliche Prozesse oder Diskussionen ganz nah begleiten. Aber für solche Programme sind Geld und Zeit nötig. Nur dann können Medienschaffende in die Tiefe recherchieren.

Gibt es Medien, von denen Sie sagen würden: Die haben eine besonders gute Berichterstattung zur Klimakrise?

Ich mache jetzt keine Schleichwerbung für einzelne Medien. (lacht)

Dann frage ich andersrum: Was liegt denn am Wochenende auf Ihrem Frühstückstisch?

Ich bin mittlerweile total digital, da liegt nichts mehr rum. Meine Informationen hole ich mir aus verschiedenen Produkten. Seit der Corona-Pandemie lese ich viel New York Times und mische deutsche Medien bunt dazu, je nach Thema. Wenn ich mehr über ein Thema wissen will, verfolge ich es von der wissenschaftlichen Veröffentlichung bis in die Verwertung der Presse. Dabei konsumiere ich auch Medien, die nicht meine persönliche Meinung vertreten, um Argumente und Narrative zu verstehen.

„Der Südozean alleine nimmt die Hälfte der Erderwärmung auf und sehr viel CO2, er hat eine unfassbare Artenvielfalt, die wir bislang kaum kennen.“

Mal angenommen, Sie wären Chefredakteurin oder Intendantin – gibt es ein Wissenschaftsformat, das Sie erfinden würden?

Ja! Aus meiner Sicht ist es wichtig, den Umgang der Menschen mit Fakten und Augenzeugenberichten zu trainieren. Dafür braucht es neue Produkte, am besten digitale. Die New York Times hat in diesem Bereich riesige Schritte gemacht und kann für Deutschland ein Vorbild sein, was Datenjournalismus und immersiven Journalismus angeht. Das bedeutet: Man taucht von einer kurzen Nachricht ausgehend in ein Thema ein, bis hin zu tiefgehenden Augenzeugenberichten, samt Audioaufnahmen und Foto-Stories.

In welchen Bereich würden Sie mehr Geld investieren?

In eine große unabhängige Institution für Datenjournalismus und Datenvisualisierung. Fotoreportagen und Augenzeugenberichte finde ich so wichtig, weil sie Menschen und der Welt vor Ort ein Gesicht, eine Stimme geben. Bis in die Tiefsee hinab. Besonders angesichts der globalen, vernetzten Themen trägt das für mich große Bedeutung. Aber es geht mir nicht nur um Daten. Ich engagiere mich viel für Veranstaltungen im Kunstbereich, damit Räume entstehen, in denen Menschen erleben und fühlen können – auch das, was fern erscheint. Die Tiefsee, die Polarregionen, fremdes Leben.

Wenn Sie selbst auf Expedition sind, schaffen Sie es mit kuriosen Entdeckungen aus der Tiefsee immer wieder in die Medien. Zuletzt waren Sie beispielsweise mit dem Igelwurm, dem Peniswurm und der Seegurke zu sehen. Sitzen Sie dann im Team zusammen und überlegen: Das könnte unsere Chance sein, mit einem possierlichen Tierchen die Klimakrise in die Nachrichten zu bringen?

Da muss ich Sie enttäuschen. Wir gehen nicht besonders strategisch vor (lacht). Wenn wir etwas entdecken, dann freuen wir uns und feiern das. Medien bitten mich oft, das Traurige zu berichten: „Das Meereis schmilzt immer schneller.“ Oder: „Der Ozean wird immer dreckiger.“ Dann werde ich manchmal gefragt: Haben Sie auch eine positive Botschaft für unsere Zuschauer? Wenn ich von unseren Erlebnissen erzähle und die Redaktion Filmausschnitte davon sieht, entscheiden sie sich um: „Mensch, der Igelwurm ist ja mal eine andere Nachricht als das schmelzende Meereis.“ Darüber freue ich mich, denn so kommen neue Geschichten vom Leben da in Umlauf, wo es so oft um Zerstörung und Verlust geht.

Welche Ihrer tierischen Entdeckungen hat Sie selbst bislang am meisten beeindruckt?

Ich war einmal in einem U-Boot, drinnen hatten wir das Licht an. Auf einmal ist ein Glaskalmar erschienen. Die sind selten. Offenbar hat er durch das Fenster des Bootes unser Licht funkeln sehen. Denn er fing auch an zu funkeln. Bei der Begegnung mit so einem Alien inmitten der Tiefsee fühle ich eine Verbindung, die mich verändert. Und Wale finde ich auch fantastisch. Jede Begegnung mit ihnen lässt mich nicht so schnell wieder los. Anfang des Jahres habe ich die antarktische Halbinsel besucht. Das Schiff war plötzlich umzingelt von 120 Walen, die zu uns kamen und eine Riesenshow gemacht haben. Ich musste daran denken, dass vor hunderten von Jahren, vor der mörderischen Jagd nach Walöl, die Meere voll waren mit diesen Tieren. Der Erfolg von 80 Jahren Walschutz zeigt, dass wir mit internationalen Abkommen die Umwelt wieder stärken können. Es bedeutet mir sehr viel, dabei zu sein und das sehen zu können.

Wir bleiben auf dem Wasser: Lassen Sie uns über die ArcWatch-Expedition auf dem Forschungsschiff Polarstern sprechen, die Sie letztes Jahr geleitet haben. Dazu gab es eine zweite, sehr aufwändige Fernseh-Dokumentation nach der MOSAiC-Expedition. Wie kam die zustande?

Erst gab es Gespräche zwischen der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren und dem Filmunternehmen UFA. Der Helmholtz-Präsident Otmar Wiestler hat uns mit Nico Hofmann zusammengebracht, dem damaligen CEO der UFA. Er hat das Potenzial für diese Story entdeckt. Sein Produzent Philipp Grieß hat dann beide Filme entwickelt. Mittlerweile sprechen wir mit vielen verschiedenen Vertretern von Film und Fernsehen. Ich begleite das Wissenschaftsfestival Silbersalz in Halle seit seiner Entstehung. Das ist ein Begegnungsraum, wo Vertreter von Medien mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über deren Entdeckungen sprechen können. Manchmal ernten sie dadurch eine Story, die sich gut erzählen lässt. Ich finde es wichtig, die Forschung und ihre Akteure visuell zu zeigen. Gerne auch über fiktive Formate, wie beim Schwarm…

… der Buchverfilmung des Bestsellers von Frank Schätzing, bei der Sie die wissenschaftliche Beratung übernommen haben.

Ja, sie haben mich angerufen und gefragt: Hätten Sie Lust, dieses Filmprojekt zu begleiten? Es ging zum Beispiel darum, wie Wissenschaftler miteinander sprechen, wie es auf einem Forschungsschiff aussieht oder welche Konflikte dort entstehen.

Waren Sie auch am Filmset?

Ich war als Dank eingeladen, als das Team die Unterwasseraufnahmen gemacht hat. Wir waren in einem riesigen Filmstudio mit Swimmingpool in Belgien. Die Kameraperspektive aus dem Wasser heraus zu sehen war für mich ein Highlight. Meine Hauptarbeit steckte aber in den dokumentarischen Begleitfilmen zur Geschichte. Darin ging es um die Frage: Was ist Wahrheit, was Fiktion? Wo stehen wir mit dem Wissen über die Ozeane und die Phänomene, die wir sehen, aber nicht erklären können? Leute spielerisch an wissenschaftlicher Erkenntnis teilhaben zu lassen – das finde ich toll!

Sie setzen sich dafür ein, den Klimaschutz zu verschärfen und haben in einem Interview mit dem Wissenschaftsmagazin Spektrum einmal gesagt, dass die Politik hier deutlich mutiger sein müsste.

Ja, weil wir sonst unsere eigenen Klimaschutzziele verpassen werden. Es gibt ganze Sektoren, besonders der Verkehr in Deutschland, die noch nicht mal in die richtige Richtung gehen. Mit den Emissionszahlen in der Industrie sind wir dagegen gut unterwegs, die Haushalte kommen auch langsam nach. Aber angesichts der immer größeren Klimaschäden geht es nicht schnell genug. Europa muss dringend seinen Beitrag leisten und in eine Vorbildfunktion kommen. Das würde für Innovationen und Investitionen sorgen, die dem Land zugutekommen. Das sage ich mit viel Ehrgeiz und Mut! Wir halten gerade die Zukunft in unseren Händen – und wir sollten sie nicht verspielen.

Was sich Boetius von den Medien wünscht

1. Immersive Projekte, die Datenjournalismus mit Fotoreportagen und Augenzeugenberichten
verbinden.

2. Mehr Sicherheit für Wissenschaftsjournalistinnen, damit sie sich auf die Berichterstattung konzentrieren
können.

3. Mehr positive Nachrichten aus der Wissenschaft.

Warum die Ozeane so wichtig sind

1. Allein der Südozean nimmt die Hälfte der Erderwärmung auf und enorme Mengen CO2.

2. 2,75 Milliarden Menschen leben in der Nähe der Meere und sind von Veränderungen betroffen.

3. Mehr als 90 Prozent der in der Tiefsee lebenden Arten sind noch unbekannt.

Catalina Schröder ist Wirtschaftsjournalistin in Hamburg. Tim Brüning arbeitet als Fotograf in Hamburg.