Interview

Was will Kai?

28.01.2020

Chance für den Lokaljournalismus. Lokalredaktionen sollten dazu übergehen, mit den Bürgern vor Ort zusammenzuarbeiten, um ein "kuratiertes Lokalangebot" aufzubauen, sagt Kai Diekmann. (Foto: Jan Zappner)

Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann im journalist-Interview: „Es gibt für die klassische Medienindustrie kein Recht auf Überleben“.

Den Absprung von Bild hätte er schon viel früher schaffen müssen, sagt der Ex-Chefredakteur des Boulevardblattes, Kai Diekmann, im Interview mit dem journalist. 16 Jahre an der Spitze eines Blattes wie Bild seien einfach zu viel: „So oft können Sie sich in der gleichen Position als Chefredakteur gar nicht neu erfinden.“ Am Ende sei es häufig gar nicht mehr darum gegangen, was gut für die Marke oder das Blatt sei, sondern nur noch um die Frage: „Was will Kai?“Seine Zeit an der Spitze von Bild beurteilt Diekmann im Rückblick als erfolgreich: Abgesehen vom Spiegel sei es Bild früher als allen anderen Medien gelungen, die Digitalisierung zielstrebig voranzutreiben. Von einer Zeitung mit 12 Millionen Lesern habe sich Bild zu einer Plattform mit 30 Millionen Usern gewandelt – von Papier bis Snapchat. Dabei war es offenbar nicht immer einfach, gerade die älteren Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass der Wechsel vom Papier aufs Smartphone richtig sei. Eine große und seiner Meinung nach bislang nicht genügend genutzte Chance für die Zukunft des Journalismus sieht Diekmann im Lokalen: So sollten Lokalredaktionen dazu übergehen, mit den Bürgern vor Ort zusammenzuarbeiten, um ein „kuratiertes Lokalangebot“ aufzubauen. Schließlich kenne sich niemand in einer Gegend besser aus als die Menschen, die dort wohnen.Darüber hinaus müsse jedes Medium für sich eine eigene Art des Storytelling erfinden, „je spezifischer, desto erfolgreicher.“ Exklusivität besteht laut Diekmann heute nicht mehr darin, eine Geschichte als erstes zu erzählen, sondern in der Art und Weise, wie sie erzählt werde. Diekmann geht nicht davon aus, dass es jedem Medium gelingen wird, ein tragfähiges digitales Geschäftsmodell zu entwickeln, aber er sagt auch: "Es gibt für die klassische Medienindustrie kein Recht auf Überleben", so Diekmann im journalist-Interview.Unter Kai Diekmann als Bild-Chefredakteur kassierte das Boulevardblatt in Zusammenhang mit seiner Berichterstattung über ausländische Straftäter mehrere Rügen des Presserats. Unter anderem dafür, dass die Redaktion die Herkunft von Tätern nannte. Diekmann steht bis heute zu seinen damaligen Entscheidungen: Die Unterschlagung von Nationalitäten bereite fast automatisch einen Nährboden für Verschwörungstheorien. Und der sei journalistisch nur schwer in den Griff zu bekommen. Für die Verrohung gesellschaftlicher Diskurse sieht Diekmann keine Schuld bei Bild – im Gegenteil: Das Blatt habe über Jahre einen großen Teil dieser Debatte publizistisch aufgefangen und ausgehalten.
Nachdem er Bild Anfang 2017 verlassen hatte, gründete Kai Diekmann zusammen mit dem Unternehmer Michael Mronz und Ex-Stern.de-Chef Philipp Jessen die Mediaagentur Storymachine. Das komplette Interview mit Kai Diekmann lesen Sie in der Januar/Februar-Ausgabe des journalists. Probeheft? Mail mit Adresse an probeheft@journalist.de

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