Floskel des Monats

Sonderoperation

05.04.2022

Das berühmte Zitat "Das erste Opfer eines jeden Krieges ist die Wahrheit" wird dem US-Republikaner Hiram Johnson (1866-1945) zugeschrieben – und auch heute noch oft genutzt. Und damit fängt es schon an: Sowohl die Lager der Angreifer als auch die der Angegriffenen nutzen diesen Naseweis-Spruch, um für sich Stimmung zu machen, und letztlich, um ihr eigenes Handeln zu legitimieren. Die als Redensart beschriebene Taktik ist universell einsetzbar und wird zum Spielball im Konflikt.

Oder waren die Angreifer eher Invasoren? Und die Angegriffenen sind Rebellen? Terroristen? Aus Sicht der Kriegstreiber will man scheinbar befreien, nur intervenieren. Klingt doch positiv. Beim staatseigenen russischen Propagandasender RT hieß es recht früh: "Putin beginnt militärische Sonderoperation zum Schutz des Donbass und Entnazifizierung der Ukraine." Der russische Autokrat Putin hätte seinen Angriffskrieg nicht besser beschönigen können. Ist es schon ein "Konflikt" oder eher eine "Auseinandersetzung" – oder sind die Länder bereits im Krieg? Hier hilft ein Blick in den Duden: Krieg ist ein "mit Waffengewalt ausgetragener Konflikt zwischen Staaten, Völkern; größere militärische Auseinandersetzung, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt". Das Haager Abkommen klingt dagegen weitaus verklausulierter.

Weshalb heißt es eigentlich seit 2014 "Ukraine-Krise"? Die Ukra­ine hatte doch gar keine Krise, sondern nur einen unangenehmen Nachbarn, der die völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Regionen Donezk und Luhansk angegriffen hat. Tatsächlich hat jetzt die Ukraine die Krise, allerdings sollte hier keine Täter-Opfer-Umkehr betrieben werden. Medien und insbesondere die Nachrichten sind beim Thema Krieg besonders gefordert, sachlich und neutral zu bleiben und angemessen sprachlich sensibilisiert zu formulieren. Manipulatives Framing sollte vermieden werden. 

Aber auch altbekannte schiefe oder geframte Bilder tauchen immer wieder auf: Der Air Strike ist übersetzt kein "Luftschlag", wie man ihn vom Clown im Zirkus kennt, sondern ein Luftangriff oder Luftbombardement. Die verursachen auch keine verharmlosenden "Verluste", sondern sie töten Menschen. 

Wie sich Floskeln und Phrasen im Journalismus ausbreiten, machen Sebastian Pertsch und Udo Stiehl mit der sprach- und medienkritischen Floskelwolke sichtbar. Hier stellen sie Begriffe oder Formulierungen vor, mit denen KollegInnen besonders häufig danebenliegen.

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