Floskel des Monats
sich entschuldigen
Nein, man kann sich nicht selbst entschuldigen, sondern nur um Entschuldigung bitten. Ein „Sorry“ oder „ich entschuldige mich“ wirken trotz internalisierter und zudem gedankenloser Falschbenutzung deplatziert. Dabei ist es nicht nur sprachlich ein häufiges Missverständnis, sondern auch inhaltlich problematisch. Trotzdem wissen es natürlich alle besser, gerne auch als Rechtfertigung, weil man darauf nie Acht gegeben hat. Man sagt es halt so lapidar: Sorry! Tschuldigung! Verzeihung! Fürs 3-Minuten-Zuspätkommen oder für einen kleinen Flüchtigkeitsfehler auf der Arbeit – letztlich für einen Fauxpas. Ein Reflex auf eine Nichtigkeit, die meist nicht schlimm, sondern zu vernachlässigen ist.
Eine Nichtigkeit auch deshalb, weil sie häufig unbedacht, unbewusst und nicht selten auch keine boshafte Intention innehatte. Darüber könnte man also hinwegsehen. Nehmen wir hingegen weniger harmlose Beispiele, dann wird verständlicher, weshalb ein Sorry nicht ausreichen kann: Ein Autofahrer fährt achtlos eine Radfahrerin an, jemand hat fahrlässig eine Bürotür offengelassen, wodurch das Smartphone eines Kollegen gestohlen wurde, die Korruption eines Politikers hat den Staat und letztlich die Bürger*innen Millionen Euro gekostet. Reicht da ein kurzes „Entschuldigung“ aus? Weniger – womit wir zum Kern des eigentlichen Problems gelangen: zur Schuld.
Die Schuld zum Nachteil einer anderen Person ruht auf den Schultern derjenigen Person, die etwas falsch gemacht hat. Sich davon selbst entschuldigen zu können im Sinne einer Entlastung oder eines Freispruchs, wäre weder logisch noch anständig. Die Last kann nur die Person (ab)nehmen und der verschuldeten Person anschließend verzeihen und vergeben, die betroffen beziehungsweise benachteiligt war. Das „ich entschuldige mich“ impliziert dann genau diesen problematischen Gedanken: Ich entschuldige mich – und zwar selbst und ohne Beteiligung der betroffenen Person. Deswegen wäre es höflicher, darum zu bitten, dass man entschuldigt wird. Diese Bitte muss man als betroffene Person nicht annehmen. Aber Vergebung ist sicher noch mal ein anderer Punkt.
Wie sich Floskeln und Phrasen im Journalismus ausbreiten, machen Sebastian Pertsch und Udo Stiehl mit der sprach- und medienkritischen Floskelwolke sichtbar. Hier stellen sie Begriffe oder Formulierungen vor, mit denen KollegInnen besonders häufig danebenliegen.