Floskel des Monats

neuer Rekord

05.12.2019

Ist das neu? Dann könnte es eine Neuigkeit sein. Und so nimmt die Story ihren Weg durch die Redaktion. Schnell muss es gehen, rekordverdächtig schnell. "Alibaba erzielt neuen Verkaufsrekord", titelt ein deutsches Wirtschaftsfachblatt und hat sich quasi selbst überholt, denn die Zeile ist zwar schnell – aber unsinnig. Ein Rekord ist immer neu. Er wäre sonst keiner. Das lässt sich übrigens noch steigern, sozusagen als neue Innovation gelingt es einer großen Tagezeitung mit Fernsehanschluss, zum selben Thema zu jubilieren: "Singles‘ Day in China bricht neuen Rekord". Das ist nun wahrlich eine kleine Sensation im Raum-Zeit-Kontinuum. Ein Unternehmen stellt einen Rekord auf, den es zeitgleich (!) bricht.

Es ist aber auch eine Krux mit dieser ewigen Jagd nach Neuigkeiten. Listige Werbeagenturen wissen, dass Verbraucher auf dieses Wort mit plötzlichem Kaufdrang reagieren. Wurde der natürliche Lauchanteil in der Tütensuppe gegen ein künstliches Aroma ausgetauscht, schreiben sie "neue Rezeptur" auf die Packung. Das verkauft sich! In der Politik funktioniert dieser Trick ähnlich gut. Wer eine Gesetzesänderung durchbringen will, trommelt verbal, endlich werde das Gesetz "nachgebessert". Klasse! Das impliziert, die Paragrafen seien vorher schon gut gewesen und würden jetzt noch besser. Wer fragt da noch, ob das Gesetz ursprünglich ziemlich mies war und jetzt vielleicht noch mieser?

Abschließend noch ein Blick aufs Wetter: Wenn es von oben flockt, dann fällt nicht etwa Neuschnee, sondern Schnee. Der kristalline Niederschlag ist nämlich immer neu – es sei denn, Sie stehen unter dem Auswurf einer Schneefräse.

Für den journalist analysiert das sprach- und medienkritische Webprojekt Floskelwolke.de von Sebastian Pertsch und Udo Stiehl in jeder Ausgabe eine Floskel oder Phrase, mit der Journalisten im Monat zuvor besonders häufig danebenlagen.

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