Floskel des Monats
Gute-Laune-Gesetze
Seit gut einem Jahr versucht die Bundesregierung, verstärkt mit tollen Gesetzesnamen die Öffentlichkeit zu beeinflussen – und schafft es dank der Medien erstaunlich gut. Was hindert denn JournalistInnen daran, auf die Framing-Keule „Gute-KiTa-Gesetz“ von Franziska Giffey zu verzichten? Das „KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz“ wäre als Longread natürlich unangemessen und enthielte mit „Verbesserung“ ebenfalls eine Manipulation. Keep it simple! Das „neue KiTa-Gesetz“ wäre neutral und ausreichend.
Bei Hubertus Heils „Respekt-Rente“ geht es im Kern um die Grundrente. Ob die Konditionen ausreichen und respektvoll sind, darf an anderer Stelle gerne beleuchtet werden. Den Vogel schoss zuletzt aber die Bundesregierung mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ ab, das im Bundestag durchgewinkt wurde. Weil es eine Verschlechterung für Geflüchtete darstellt, nannte Pro-Asyl es liebevoll „Hau-ab-Gesetz“.
Dass die euphemistischen Luftblasen auch mal krachend scheitern können, musste jüngst Jens Spahn mit seinem geplanten „Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz“ erfahren: Ein breites Bündnis für Inklusion echauffierte sich im August über das „Schwächungsgesetz“, durch das „vor allem beatmete Patienten in Spezialeinrichtungen verlagert werden sollen“. Ein selbstbestimmtes Leben sei den Betroffenen nicht mehr möglich, so der Vorwurf.
Menschenrechtsaktivist Raúl Krauthausen, der sich mit Leidmedien auch für eine präzise Sprache in den Medien einsetzt, sagte uns: „Früher hätte es vielleicht Reha- und Intensivpflegeänderungsgesetz geheißen. Für Kritik am Gesetz wird es nun schwieriger, in der öffentlichen Debatte auf die Schwächen hinzuweisen, da zunächst die Medien den bereits geframten Gesetzestext als ‚neutrale Neuigkeit‘ verbreitet haben. Das ist weder für die Verständlichkeit noch für eine ehrliche und sachliche Auseinandersetzung hilfreich.“
Sollte es bald zu einem Geile-Soldaten-Gesetz, Super-Schnelles-Internet-Abkommen oder Klima-Nein-Danke-Erlass kommen, wäre etwas mehr Widerstand gegen die politisch motivierten Tarnungen begrüßenswert. Aufgabe des Journalismus ist nicht, PR-Sprüche aus der Politik zu wiederholen.
Für den journalist analysiert das sprach- und medienkritische Webprojekt Floskelwolke.de von Sebastian Pertsch und Udo Stiehl in jeder Ausgabe eine Floskel oder Phrase, mit der Journalisten im Monat zuvor besonders häufig danebenlagen.