Floskel des Monats

Dopingsünder

06.03.2018

Die Illusion, bei den Olympischen Winterspielen hätte es saubere Spiele geben können, wie es IOC-Chef Thomas Bach zur Eröffnung in Pyeongchang beschwor, bleibt genauso absurd wie die Behauptung, beim G20-Gipfeltreffen in Hamburg hätte es keine Polizeigewalt gegeben. Eine Kölner Tageszeitung bastelte sich folglich auf ihrer Website eine Klickstrecke mit den „größten Doping-Sünder[n]“. Da fehlte nur noch der Zusatz aller Zeiten – jene unsägliche Ergänzung aller Superlative. Der Sportler Ben Johnson ist dem Blatt zufolge die „Mutter aller Dopingsünder“. Das war vor 30 Jahren. Mittlerweile dürfte er Großmutter aller Dopingsünder sein. Wir gratulieren! Die Klickstrecke blickte aber auch auf spätere Skandale von Leistungssportlern:

Erinnern Sie sich noch an die „Zahnpasta-Affäre“ in Deutschland? Wir hatten die Formulierung schon wieder verdrängt. Vermutlich, weil wir als Journalisten noch von der späteren „Toiletten-Affäre“ oder der „Koks-Affäre“ (ebenfalls Toilette) geblendet waren. Was wäre der Journalismus nur ohne Komposita und Buzzwords? Vermutlich ein besserer. Aber sicher erinnern Sie sich an die verbotenen Substanzen Diuretikum Xipamide, THG, Ephedrin, Clenbuterol oder Stanozolol? Natürlich nicht.

Bequemer – allerdings nicht besser – ist es, bei der Begrifflichkeit des Dopingsünders zu bleiben: In der medialen Berichterstattung ist der Dopingsünder derart ins Gedächtnis eingebrannt, dass die Straftat zu einer harmlosen Randnotiz verkommt. Weltmeisterschaften? Olympische Spiele? Leichtathletik? Gedopt wird doch immer, denkt man sich beim Lesen der Zeitung. Kleine Fische. So what? Dass diese Sportler Betrüger sind, dem Sport und auch der Sportart auf lange Zeit schaden, wird mit dem Dopingsünder kleingeredet. Mit Euphemismen zu hantieren, ist nicht die Aufgabe von Journalisten – vor allem nicht in den Nachrichten. Bei solch einem sensiblen Thema sollte präzise Sprache Vorrang haben. Das bedeutet beispielsweise, Doping nicht hinter Floskeln zu verstecken und Betrüger nicht als Sünder zu verharmlosen.

Für den journalist analysiert das sprach- und medienkritische Webprojekt Floskelwolke.de von Sebastian Pertsch und Udo Stiehl in jeder Ausgabe eine Floskel oder Phrase, mit der Journalisten im Monat zuvor besonders häufig danebenlagen.

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